09.01.2001

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Handy-Zugang ins Internet als Irrweg

Wenn es um die Usability, also die Anwendungsfreundlichkeit geht, kennt Jakob Nielsen keine Kompromisse. Der Usability-Experte überrascht mit durchdachten, aber auch kontroversiellen Konzepten.

Sein neuestes Postulat lautet: Mobiltelefone sind zum Aussterben verurteilt.

Er vergleicht die Mobiltelefonie mit dem enormen, aber kurzlebigen Erfolg von Frankreichs Minitel. Sein Resümee mit dem Titel "Mobile Phones: Europe's Next Minitel?" kommt zu dem Schluss: Handys sind kein geeignetes Mittel zum mobilen Internet-Zugang und sind daher für diesen Zweck mittelfristig überflüssig.

Handydichte macht blind

Er meint jedoch, dass die mobile Innovation nicht von einem Überangebot an Mobiltelefonen ausgehen wird, sondern von einem Mangel derselben. Die hohe Mobilfunkdichte in Europa würde die Hersteller dazu verleiten, die größere Chance durch mobilen Netzzugang zu verpassen - ähnlich wie beim französischen Minitel und der Einführung des WWW.

Minitel war Frankreichs größtes Online-System in den Achtzigern und frühen Neunzigern. 1989 war Minitel mit sieben Millionen Kunden das größte Online-Service der Welt. Minitel hatte ein funktionierendes Micropayment-System - die Kosten für Dienste und Einkäufe wurden einfach der Telefonrechnung aufgeschlagen.

Das war Minitel

Minitel war jedoch ein proprietäres System, das kleine, langsame Terminals verwendete und von einer Telekom betrieben wurde, die sehr abweisend gegenüber neuen Innovationen war. "Klingt wie WAP", so Nielsens kurzes Resümee.

Handy ungeeignet

Seine dogmatische Conclusio: "Mobile Phones Must Die." "Die Annahme, Handys würden die Grundlage für mobiles Internet sein, wird die Unternehmen dem gleichen Schicksal wie Minitel unterwerfen", so Nielsen. "Telefone sind absolut ungeeignet für den Netzzugang."

Er führt mehrere Gründe auf, wieso ein Handy inkompatibel mit dem Internet ist. Erstens wird die Form vom Abstand zwischen Mund und Ohr bestimmt, was die denkbar schlechteste Voraussetzung für ein Online-Terminal ist. Zweitens nimmt die Tastatur zu viel Platz ein - ein Internet-Device sollte zu annähernd 100 Prozent vom Display ausgefüllt werden. Weiters bekrittelt Nielsen die numerische Eingabeform und die Unmöglichkeit, Sprache und Daten ohne umständliches Hantieren zwischen Ohr und Auge zu verknüpfen.

Time to go

Er gibt dem Pocket PC mit anständiger Tastatur und großem Bildschirm die größten Chancen. "Für die Zukunft von mobilem Internet und mobiler Telefonie gilt: Herkömmliche Telefone haben keine Vorteile, aber eine Reihe von Nachteilen. Das Telefon hat uns 100 Jahre lang gute Dienste geleistet. Nun ist die Zeit zu gehen."