Alles Napster: Text, Fotos, Film, Spiele
Das Internet bringt nach Einschätzung des Medienkonzerns Bertelsmann einen radikalen Wandel des Unterhaltungsgeschäftes. Dabei sei der Erfolg der Musiktauschbörse Napster erst der Beginn dieses Prozesses.
"Musik ist erst der Anfang", sagte Bertelsmann-Chef Thomas Middelhoff vor dem Internationalen Club Frankfurter Wirtschaftsjournalisten. Bald würden auch Filme, private Fotos, Spiele und andere Güter via File-Sharing verbreitet werden.
Middelhoff, der mit der geplanten umfassenden vertikalen Umstrukturierung seines Unternehmens wie bisher kein anderer Medienkozernchef deutlich gemacht hat, dass er die tief greifenden Änderungen der Geschäftsmodelle ernst nimmt, spielt allerdings ein riskantes Spiel:
Zwar könnte er durch seine - verglichen mit seinen Mitbewerbern - frühe Reaktion auf die Herausforderungen des Netzes einen deutlichen Vorsprung zur Konkurrenz gewinnen, aber seine Napster-Pläne könnten auch noch durch diese torpediert werden und Bertelsmann dadurch ins Abseits geraten.
Künftig werden bei Bertelsmann drei strategische Geschäftsfelder definiert: Inhalte [Content], mediennahe Dienstleistungen [Media Services] und Kundenbetreuung [Direct-to-Customer]. Auch die Musiksparte mit ihren 200 Plattenlabels, Tochterunternehmen in 53 Ländern und einem Umsatz von rund vier Milliarden Euro soll auf diese drei Bereiche aufgeteilt werden.

Die Preisfrage
Bertelsmann rechnet damit, dass die meisten der rund 40 Millionen Napster-Nutzer bereit sind, für die Musik aus dem Internet zu bezahlen. "Wir glauben, dass die Bereitschaft zu zahlen groß genug ist, um ein beachtliches Geschäftspotenzial zu schaffen", sagte Middelhoff.
Derzeit würden die Napster-Nutzer befragt, wie viel sie genau für Online-Musik ausgeben würden. Für Ende Februar werde mit entsprechenden Marktforschungsergebnissen gerechnet.
Middelhoff wies darauf hin, dass sich in kürzester Zeit 45 Millionen aktive Nutzer weltweit Napster angeschlossen hätten. Einen ähnlichen Erfolg habe im Internet bisher kein anderer Anbieter zu verzeichnen.

Entscheidende Verhandlungen
Middelhoff hat zudem die konkurrierenden Musikunternehmen eingeladen, sich an der Napster-Initiative zu beteiligen. BeCG-Chef [Bertelsmann eCommerce Group] Andreas Schmidt verhandelt deshalb seit Wochen mit den Konkurrenten über Napster.
BeCG hat seitdem immer wieder beteuert, dass diese Verhandlungen sehr gut laufen. Die Verhandlungspartner - Bertelsmanns Musikindustrie-Konkurrenten - ließen allerdings bisher nichts zu dem Thema verlauten. Und die Gründe, Napster und damit BMGs [Bertelsmann Music Group] geplante Zukunft weiterhin juristisch zu bekämpfen, haben seit Bertelsmanns Einstieg nichts von ihrer Brisanz verloren.

Weitere Konzentration
Die Verhandlungen über eine Fusion des britischen Musikkonzerns EMI mit BMG dauern nach Einschätzung von Middelhoff noch einige Wochen: "Vor Ende Januar sollte man kein Ergebnis erwarten."
"Wir sollten alle Unsicherheiten vermeiden, alles genau überprüfen und analysieren", fügte er hinzu. Das Ergebnis sei "nicht vorhersehbar". Im Musikbereich verhandle Bertelsmann ausschließlich mit EMI, sagte Middelhoff weiter. Bertelsmann und EMI hatten im November Fusionsgespräche offiziell bestätigt.
BMG liegt auf Platz fünf der größten Musikunternehmen weltweit, EMI auf Platz drei.
