Der Online-Apothekenkrieg
Medikamente aus dem Internet sind eine verlockende Option, doch sie sind auch heftig umstritten. In Deutschland beschäftigt das Thema derzeit intensiv die Pharmabranche, die Apothekenverbände und die Politik, aber das Problem ist ein gesamteuropäisches.
Verbraucherschützer und Apotheker warnen vor gesundheitlichen Gefahren, Kassen und Gesundheitspolitiker erhoffen sich Sparmöglichkeiten.
Derweil ist die rechtliche Situation für Anbieter wie Verbraucher unklar. Am 13. Dezember wollen sich Befürworter und Gegner mit Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer in Berlin zusammensetzen, um offene Fragen zu klären.
Die ersten Internet-Apotheken beschäftigen eher Rechtsanwälte als Pharmazeuten. Das deutsche Arzneimittelgesetz verbietet den Versandhandel mit Medikamenten, doch der Europäischen Gerichtshof gestattet EU-Bürgern, Medikamente aus jedem EU-Land zu beziehen.

Smarte Niederländer
Das bekannteste Beispiel für die juristischen Scharmützel der Kontrahenten ist der Rechtsstreit zwischen der Internet-Apotheke "0800DocMorris.com" mit Sitz im niederländischen Landgraaf und der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände [ABDA].
Das Landgericht Frankfurt untersagte per einstweiliger Verfügung der Online-Apotheke das Versenden an deutsche Kunden. Doch DocMorris macht weiter: Die Firma trennte einfach Bestellen von Liefern.
Der Kunde muss seither in einem gesonderten Schritt einen Kurier beauftragen, den freilich DocMorris bereitstellt und auch bezahlt.
Dank der gerichtlichen Gratiswerbung hat sich die Zahl der Bestellungen in der Woche nach dem Urteil verdreifacht, wie Marketing-Leiter Jens Apermann berichtet. Ein halbes Jahr nach dem Start hat der Internet-"Doc" nach eigenen Angaben 14.000 Kunden, in zwei Jahren will die Firma schwarze Zahlen schreiben. Bis zu 20 Prozent sollen die Produkte im Durchschnitt günstiger sein als beim Apotheker am Ort.

Europäisches Problem
Die lukrative Geschäftsidee der Internet-Apotheken ist jedoch nicht der Versandhandel: Sie nutzen die zum Teil enormen Preisunterschiede für Arzneimittel in den Ländern der EU aus.
Internationale Vergleiche haben ergeben, dass die Kosten für identische Produkte um bis zu 30 Prozent abweichen können. Wer Medikamente billig im Ausland bezieht und in einem Land mit niedriger Mehrwertsteuer sitzt, kann schnell Gewinne machen.
Hauptkritikpunkt ist dabei die Patientensicherheit. Doch die Probleme bei Daten- und Verbraucherschutz seien nur ungelöst, nicht unlösbar, argumentieren die Krankenkassen.
Auch die Pharmaindustrie ist nicht abgeneigt. Manche Hersteller bieten ihre frei verkäuflichen Produkte sogar selbst im Netz an. Der Internet-Vertrieb von Arzneimitteln wird kommen, glaubt auch der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie [BPI]. "Es geht nicht mehr um das Ob, es geht um das Wie", sagt BPI- Hauptgeschäftsführer Hans Sendler.
