Nach dem Netz soll das "Gitter" kommen
Während sich das Internet vor allem in Form des World Wide Web mit einer extrem dynamischen Nutzerentwicklung und immer neuen Anwendungen gerade so richtig entfaltet, tüftelt man am Geburtsort des WWW am Europäischen Kernforschungslabor [CERN] in Genf bereits an der nächsten Generation.
"The Grid" [das Gitter] soll jedem Nutzer maßgeschneiderte Antworten auf komplexe Fragen auf seinen Computer liefern.
"Im World Wide Web holt man sich vorfabrizierte Informationen. Man greift auf etwas zurück, das fertig ist. Das Grid erlaubt Anfragen, die aus den verschiedenen verfügbaren Datensätzen eine individuell auf den Benutzer zugeschnittene Antwort liefern", sagt Hans Hoffmann, Direktor für Technologietransfer am CERN.

Die Bedürfnisse der Teilchenphysiker
Die Physiker arbeiten mit Hochdruck an dem neuen Netz. Der neue Teilchenbeschleuniger, der in den nächsten fünf Jahren dort gebaut wird, wird Datenmengen produzieren, die mit dem World Wide Web nicht mehr zu bewältigen wären.
"Der alte Beschleuniger lieferte Daten über zwei bis drei Ereignisse in der Sekunde, der neue wird Milliarden pro Sekunde ausspucken", sagt Hoffmann.
Das CERN und die rund 500 angeschlossenen Institute weltweit wollen diese Daten von den Computern je nach Forschungsaufgabe nach unterschiedlichen Kriterien vorsortieren und in verschiedenen Konstellationen berechnen lassen.
Im Netz holen sich die Rechner dafür die Daten und Anwendungsprogramme je nach Fragestellung selbst zusammen.
Vor rund zehn Jahren waren es schon einmal die Bedürfnisse der Wissenschaftler am CERN, die die Revolution des Internets möglich machten. Der englische Informatiker Tim Berners-Lee, damals am CERN beschäftigt, entwickelte - allerdings ohne expliziten Auftrag dazu - 1989 das World Wide Web. Das CERN brauchte das WWW, um Physiker in aller Welt mit Daten aus der Kernforschungsanlage versorgen zu können.

Open Source
"Wir werden eine Organisationssoftware, die Middleware, schreiben, die wie Linux offen ist", sagt Hoffmann.
Damit könne auch die Industrie später ihre Ideen einbringen. Mit der Entwicklung dürften Hoffmann zufolge in den nächsten drei bis vier Jahren rund 100 Leute beschäftigt sein.
Knapp 200 Mllionen Euro kalkuliert Hoffmann dafür ein. Das CERN sucht bereits Partner. Die Europäische Union hat zehn Millionen Euro bereitgestellt. Auch Industrieunternehmen haben schon angeklopft. Wer bei der Entwicklung des Grids von Anfang an dabei ist, hat bei der Entwicklung von Nutzungsprogrammen entscheidende Vorteile. Die breite Anwendung sieht Hoffmann in etwa zehn Jahren.

Eine große Portion Zufall
Tim Berners-Lee hatte 1989 keinen Auftrag, das WWW zu entwickeln.
Er tat dies, weil ihn das Problem der [wissenschaftlichen] Datendarstellung und -verknüpfung interessierte, in der Zeit zwischen offiziellen Aufträgen und zu großen Teilen im Alleingang.