26.11.2000

E-TOILER

Bildquelle: FuZo/E-Toiler

Theaterpremiere im World Wide Web

Das Theater von den Brettern ins Internet heben - dieses Experiment will in der kommenden Woche ein junger Künstler aus Frankreich wagen.

Mit Unterstützung des Zentrums für Medien und Kunst [ZKM] in Karsruhe präsentiert der 28-jährige Regisseur und Schauspieler Yannick Bressan eine moderne Version des mittelalterlichen Stücks "Le Martyre de Saint Etienne".

Und das live über das Web, was nach seinen Aussagen eine "Weltpremiere" ist. Bressan interessiert vor allem die Art und Weise, wie die Zuschauer auf das Stück reagieren, das vor 500 Jahren geschrieben wurde, eine 2000 Jahre alte Geschichte erzählt und mit der Hinrichtung eines zum Tode Verurteilten Fragen aufwirft, die noch immer aktuell sind.

Surfer als Zeugen einer Steinigung

Eine aktive Rolle spielen die Zuschauer im Netz: Sie sind nämlich gleichzeitig die Menge Schaulustiger, die der Steinigung des Heiligen beiwohnt.

Nach jedem Akt werden die Surfer um ihre Meinung gebeten - per Mausklick auf rote, blaue oder grüne Kästchen können sie sagen, ob sie den zum Tode Verurteilten unsympathisch finden, Mitleid mit ihm haben oder ob er ihnen gleichgültig ist.

"Die Reaktionen werden mein Spiel beeinflussen", betont der 18-jährige Franzose, der sich an der Straßburger Kunsthochschule auf audiovisuelle Medien spezialisiert hat.

"Wenn mich 80 Prozent der Zuschauer sympathisch finden werde ich meinen Text anders vortragen, als wenn die Mehrheit gegen mich ist".

Den Ausgang des Stücks werden die Zuschauer freilich nicht beeinflussen - "Stephan wird gesteinigt, so oder so".

Die Aufführungen finden

in einem Theatersaal der Stadt Straßburg statt, wo sie gefilmt, an das ZKM übertragen und von dort ins Internet eingespeist werden.

Live-Theaterstück als Novum

Das Internet ermögliche eine neue Form der Interaktivität, einen direkten Dialog zwischen Schauspieler und den Zuschauern zu Hause, betont Thomas Fürstner, Leiter des Instituts für Web-Entwicklungen am ZKM. Ein Live-Theaterstück im Internet sei "in dieser Form ein Novum".

Bressan und Fürstner sind nun gespannt auf das Surfer-Interesse am Märtyrer Stephan. Einem allzugroßen Zulauf sind derzeit allerdings noch technische Grenzen gesetzt.

"Mehr als 60 Surfer können die Web-Site nicht gleichzeitig nutzen", erläutert Bressan. Noch sei das Web-Theater eben kein Medium für die breite Masse.