24.11.2000

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Internet ist "riesiger Misthaufen"

Der Computerkritiker Joseph Weizenbaum warnt vor einer Überschätzung des Internet.

"Das Internet ist wie ein riesiger Misthaufen", sagte der Informatiker heute Freitag bei einem Lesekongress in Mainz. Im weltweiten Datennetz gebe es aber einige Perlen. Man finde sie aber nur mit der Fähigkeit, gute Fragen zu stellen.

Dazu müsse das kritische Denken in den Schulen und Universitäten gefördert werden, sagte der Wissenschaftler, der am Massachusetts Institute of Technology arbeitet.

Lesen als Schlüsselqualifikation

Nach Ansicht des Literaturwissenschaftlers Willie van Peer von der Universität München werden die Anforderungen an die Lese- und Schreibfähigkeit in der Informationsgesellschaft weiter zunehmen. "Das Lesen ist die Schlüsselqualifikation für die Wissensgesellschaft", sagte er.

Kein Computer, kein Bildschirm, kein Keyboard

Deshalb sei es nicht nötig, mehr Computer, Bildschirme und Tastaturen in die Schulen zu bringen, vielmehr müsse der Unterricht in Mathematik und in der Muttersprache verbessert werden. "Wir müssen die analytischen Fähigkeiten ausbilden", forderte van Peer.

Auch der Erziehungswissenschaftler Hartmut von Hentig sprach sich dagegen aus, die Bildung der Kinder dem Computer zu überlassen. "Wir schulden den Kindern nicht die frühe Abrichtung auf Apparate", sagte der Wissenschaftler am Rande des Kongresses.

"Surfen" keine Kulturtechnik

Eltern und Schule müssten den Kindern Erfahrungen vermitteln, die für ihr Leben von Bedeutung seien. Neben dem Einüben der drei "Kulturtechniken" Lesen, Schreiben und Rechnen gehe es darum, den Kindern das Verstehen, das Urteilen und das geduldige Beobachten beizubringen, sagte der Pädagoge.

Schöne Bücher reichen nicht

Der Geschäftsführer der Stiftung Lesen, Heinrich Kreibich, sprach sich dafür aus, bei der Leseförderung auf dem "Multimedia-Klavier" zu spielen. Schöne Bücher und gute Autoren reichten nicht aus, um zum Lesen anzuregen. Nach Ansicht des Informatikers Wolfgang Wahlster wird die moderne Sprachtechnologie die Bedeutung der Schriftsprache in den nächsten 50 Jahren zurückdrängen.

"Das Lesen wird nicht völlig überflüssig, aber mit der Vorfilterung durch die Sprachtechnologie werden wir weniger Irrelevantes lesen", sagte der wissenschaftliche Direktor des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz. Die heute stark am Text orientierte Gesellschaft werde in Zukunft wieder mehr Wissen mündlich weitergeben und verarbeiten.