24.10.2000

BIG BROTHER

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Debatte um Überwachung am Arbeitsplatz

Großbritannien rüstet sich in diesen Tagen für einen harten Rechtsstreit in der Arbeitswelt.

Dabei dreht sich alles um die Frage, wie weit Arbeitgeber ihre Angestellten im digitalen Zeitalter überwachen und beobachten dürfen. Angeheizt wird die Auseinandersetzung um Privatsphäre und Geschäftsinteressen durch ein unternehmerfreundliches Gesetz, das am Dienstag in Kraft treten soll. Die neue Regelung erweitert die Überwachungs- und Kontrollrechte der Chefetage erheblich und dürfte daher den seit längerem anhaltenden Streit in eine neue Runde schicken.

Kampf um Privatsphäre

Damit werden auf die britischen Anwälte einige Gerichtsfälle zukommen, bei denen geklärt werden muss, wie privat eine E-Mail

oder ein Anruf am Arbeitsplatz sein darf. Sicher ist, dass viele Mitarbeiter im Laufe des Tages eine ganze Menge Dinge sagen und schreiben, die ihr Boss nicht unbedingt wissen sollte. Dies fängt bei spöttischen Bemerkungen am Telefon an und geht bis zu Bewerbungs-E-Mails, Gewerkschaftsschreiben und elektronischer Post, die Details über Krankheiten und Sexualleben enthält.

In dem international mit großem Interesse verfolgten britischen Rechtsstreit stehen einander zwei Lager gegenüber: das der Gewerkschafter und Anti-Überwachungsgruppen und das der Unternehmer. Dabei meinen viele Firmenchefs, dass ein großzügiger Zugriff auf das Kommunikationssystem für die reibungslose Arbeit ihrer Betriebe unbedingt nötig sei. Nur auf diese Weise könnten Computerviren bekämpft oder geschäftliche E-Mails beantwortet werden, wenn ein Mitarbeiter krank sei, heißt es.

Nach Angaben des Arbeitsrechtsexperten James Davies ist mit der Neuregelung der Geschäftspraktiken künftig beispielweise die Überwachung von E-Mails und Telefonaten auch ohne ein beiderseitiges Einverständnis möglich. "Eine Sekretärin hat bisher illegal gehandelt, wenn sie die E-Mails ihres Chefs ohne Einverständnis des Absenders gecheckt hat." Das werde nun anders, erklärte Davies.

Gewerkschaften und Anti-Regulierungsgruppen sehen in dem neuen Gesetz eine eindeutige Verletzung des Rechts auf Privatsphäre. "Wir sind unzufrieden, dass Arbeitgeber demnächst

regelmäßig E-Mails durchsehen können", sagte eine Sprecherin des Gewerkschaftskongresses TUC. "In den Händen des falschen Arbeitgebers könnte das gefährlich sein." Erst vor wenigen Wochen hatte dieses Lager einen Teilsieg errungen: Die britische Datenschutzkommission legte in einem Kodex-Entwurf strikte Bedingungen für die elektronische Beobachtung fest und sprach zudem den Arbeitnehmern das Recht auf einen Vertrauensvorschuss zu. Jetzt wird befürchtet, dass nach In-Kraft-Treten des Kodex die Verwirrung noch größer sein wird.

Als ob dieses Wirrwarr nicht schon reicht, geht aus dem neuen Gesetz zu den Geschäftspraktiken nicht eindeutig hervor, wer wen überwachen darf. Der "System-Prüfer" könne sein Zugriffsrecht auch delegieren, heißt es in dem Gesetzestext.

Beide Seiten in dem Streit sind sich daher einig, dass die Angelegenheit viel zu verschwommen ist. "Wir müssen uns alle zusammensetzen und uns darauf verständigen, wie es weitergehen soll", sagte die TUC-Sprecherin.