Gigabell-Pleite als "Schmierenstück"
Die Pleite der börsennotierten Gigabell AG entwickelt sich laut der dpa "zu einem Schmierenstück".
Zerstrittene Vorstände, ein aufgelöster Aufsichtsrat, Chaos in der Zentrale und der Verdacht auf Betrug setzen selbst den erfahrenen Insolvenzverwalter Dirk Pfeil in großes Erstaunen.
"So etwas habe ich noch nie erlebt", beschreibt der 52-jährige Betriebswirt die dubiose Lage beim Frankfurter Telekommunikations-Anbieter.
Für Pfeil - eingefleischter Skeptiker der so genannten Neuen Ökonomie und ihrer oft jungen, dynamischen Manager - ist der Fall Gigabell ein Paradebeispiel für mangelnde Seriosität mancher Wachstumsfirmen.
"Ich weiß, warum ich nie Aktien vom Neuen Markt haben wollte", so Pfeil. Er sei "Locher, Ordner und Regale" gewohnt. In der Buchhaltung von Gigabell herrsche aber gähnende Leere: Weder den genauen Umsatz noch die Beschäftigtenzahl habe er ermitteln können. Verträge, Urkunden, Zahlen - kaum etwas sei vernünftig geordnet anzutreffen.

Pfeils Bilanz ist desaströs: gut 50 Millionen DM Schulden bei Lieferanten, allein in den ersten neun Monaten 2000 Verluste von mehr als 30 Millionen DM und drohende Schadenersatzklagen aus laufenden Verträgen - voraussichtlich ebenso in zweistelliger Millionenhöhe.
"Das Geld der Firma wurde schlichtweg verbrannt", so Pfeil. Alle Hoffnungen richtet er nun auf die beabsichtigte Übernahme durch die finnische Saunalahti.
"Kommt sie nicht, ist am 1. November Schluss."
Mitschuld der Banken
Auch mit den Banken geht der Ökonom hart ins Gericht: "Ich rätsle noch immer, worin die Leistung der Emissionshäuser besteht."
Die Kreditinstitute - darunter HSBC Trinkaus & Burkhardt und die DG Bank - sowie PR-Firmen und Berater hätten sich mit immensen Honoraren beim Börsengang "die Taschen vollgestopft".
Eine vernünftige Buchprüfung sowie eine Betreuung der Unternehmen scheine dagegen zweitrangig.
Nur mit Hilfe verbliebener Vorstände, die sich im Streit von Gigabell-Chef Daniel David lossagten, habe sich Pfeil einen Überblick über die Schieflage verschaffen können.
Der Börsen-Schlager
Die Frankfurter Staatsanwaltschaft recherchiert wegen des Anfangsverdachts auf Insolvenzverschleppung und Insidergeschäfte gegen den zurückgetretenen Firmengründer.
Für Pfeil ist es höchst fragwürdig, wie die Banken den ehemaligen Schlagersänger überhaupt "hochjubeln" konnten.
David, der nach Darstellung Pfeils bereits zwei Mal in Insolvenzen mit eigenen Firmen verstrickt war, spiele fast eine tragische Rolle. "Wenn man plötzlich so einfach die Millionen von Banken und Anlegern bekommt", führe dies zu Selbstüberschätzung.
David sei es am Ende aber vor allem darum gegangen, mit seinem eigenen Aktienpaket "einen guten Schnitt" zu machen. Gegen die Anweisung Pfeils hätten "Herr und Frau Zawrel" [Bürgerlicher Name Davids] Koffer mit Unterlagen weggeschafft. Auch seien Papiere "geschreddert und kopiert" worden. Wie mit den Vermögensständen der Firma und damit auch der Gigabell-Aktionäre umgegangen wurde, zeige der "Fuhrpark" Davids: Gleich sechs Autos habe dieser bei sich und Verwandten untergebracht. "Wir holen uns aber alles zurück, was geht", kündigte Pfeil an.