"Reality Runner" bereits auf der Flucht
Seit heute können sich Computer-Nutzer in der ganzen Welt rund um die Uhr an der umstrittenen Online-Jagd "Reality Run" beteiligen.
Der erste "Reality Runner" wurde heute gegen Mittag im Berliner Grunewald "ausgesetzt". Maskiert, mit Trenchcoat, Hut und 2.500 Dollar [2.738 Euro] Startgeld in der Tasche musste er sich schon am ersten Tag einer Aufgabe stellen.
Bis 20.00 Uhr muss der Holländer Roger sich im "Nest", einem geheimen, mit Web-Cams überwachten Platz in Berlin, der Internet-Community zeigen. Dort darf er seine Telefon-Akkus
aufladen und das Bad benutzen. Bis Mitternacht sollte der Runner das "Nest" wieder verlassen haben, sonst ist er disqualifiziert.
Den Start des Spiels mit der "Aussetzung" des Gejagten verfolgten nach Angaben der Veranstalter mehr als 60 TV-Teams und 100 Reporter.
24 Tage, 10.000 Dollar
24 Tage lang muss der Gesuchte in Berlin unentdeckt bleiben, dann
gehört ihm eine Siegesprämie von umgerechnet mehr als 10.000 USD
[150.000 ATS]. Wer allerdings schon vorher Roger findet, kann sich
das Geld selbst einstecken, und der Kandidat geht leer aus.

"Richtige Helden und keine Zlatkos" wollen die Macher von "Reality Run" schaffen. Die Mitspieler des als Serie angelegten Spiels sollen weltberühmt werden. Aus 9.000 Bewerbern haben die fünf Initiatoren - unter ihnen vier Deutsche und ein Amerikaner im Alter von 25 bis 35 Jahren - Roger ausgewählt.
In Berlin sei er bisher erst ein Mal gewesen, behauptet der in Amsterdam lebende "Reality Runner". Seit Montag muss er sich alleine im Großstadtdschungel durchschlagen und darf sich nirgendwo verschanzen. Als Hinweise auf seinen Aufenthaltsort werden seine Äußerungen und Gespräche per Mikrofon ins Internet und auf eine 0190-Telefonnummer übertragen. Täglich bekommen die Mitspieler außerdem mehr Informationen über den Gejagten.
Am heimischen Computer können die Jäger mit diesem Wissen Vermutungen anstellen, wo sich der Kandidat aufhält, und als realen Greifer "Jack Black" zu dem Ort schicken. Dabei gilt, dass der frühere Elite-Fallschirmspringer und Scharfschütze in jeder Hinweisrunde nur den schnellsten Auftrag abarbeitet.
"Das Ganze ist doch nur eine Fortentwicklung von Versteckspielen", sagt Erfinder Alexander Skora. Dass er den Kandidaten dabei bis aufs Äußerste belasten will, verheimlicht Skora nicht: "Es ist die Frage, wie er es schafft, mit dem permanenten Verfolgungsdruck umzugehen." Eine Psychologin soll Roger während der Jagd überwachen und falls nötig eingreifen.
Konnten die Landesmedienanstalten bei "Big Brother" noch eine überwachungsfreie Stunde pro Tag zum Schutz der Kandidaten herausschlagen, sind ihnen diesmal die Hände gebunden: Das Internet sei "medienpolitisches Brachland", beklagt der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten, Peter Widlok. Nur falls das Spiel gegen allgemeine Gesetze verstoße, könne beispielsweise die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufnehmen.
Doch die für das Spiel gegründete ExtraMile AG von Erfinder Skora verwahrt sich dagegen, Illegales zu veranstalten. Dafür warnt sie mögliche Kandidaten für die geplanten Folgespiele: Wer unter Platzangst leidet, sich täglich waschen muss oder regelmäßige Mahlzeiten benötigt, sei den Belastungen nicht gewachsen und sollte sich besser nicht bewerben.
Skora ist die Idee zu dem Spiel bei einem Extrem-Marathon durch die Sahara gekommen. Jetzt wittert er ein Millionengeschäft: Der Jungunternehmer will "Reality Run" zu einer Art "Formel 1" ausbauen, mit zweimonatlich wechselnden Standorten und einem Endkampf um 200.000 Mark im kommenden Jahr in New York. Mit der Vermarktung der Gewinner und dem Verkauf der Rechte sollen die Investitionen zurückfließen. Die Anregung zu dem Spiel bekam der 29-Jährige übrigens auch durch den makabren Roman "Running Man" des US-Schriftstellers Stephen King: Darin werden die Kandidaten einer Fernsehshow gejagt. Ziel ist, sie zu töten.
Ein Voting entscheidet darüber, wo der nächste "Realit Run" ausgetragen wird. Heißer Favorit ist Wien - die Stadt liegt mit 30 Prozent vorne.
