20.06.2000

UNITED KINGDOM

Bildquelle: bbc

Auf dem Weg zum Überwachungsstaat

Das englische Innenministerium gerät wegen der geplanten Einführung weitreichender Überwachungsmaßnahmen immer mehr unter Druck.

Der Gesetzesvorschlag zur "Regulation of Investigatory Powers" [RIP] würde der Polizei und dem Geheimdienst MI5 weit reichende Befugnisse zur Abhörung und Überwachung der Bevölkerung geben.

Die Opposition im britischen Parlament hat angekündigt, die Verabschiedung der umstrittenen "RIP Bill" mit einer Flut an parlamentarischen Anträgen zu verzögern und die Regierung so zum Umdenken zu zwingen.

Zurzeit liegt der Gesetzesantrag zur Begutachtung im "House of Lords", wo sich ebenfalls eine Ablehnung der "RIP Bill" abzeichnet.

Heftige Kontroverse entbrannt

Gegen die Einführung der "RIP Bill" hat sich in Großbritannien eine breite Koalition aus

Datenschützern und Bürgerrechtsgruppen auf der einen und der britischen Industrie auf der anderen Seite gebildet.

Die "British Chambers of Commerce", die "Confederation of British Industry" und das "Institute of Directors" bringen vor allem wirtschaftliche Einwände gegen die Verabschiedung der "RIP Bill" vor.

Sie befürchten Industriespionage und einen Wettbewerbsnachteil beim E-Commerce. Schätzungen der britischen Industrie zufolge könnten sich bis zu 40 Prozent der britischen E-Commerce-Unternehmen durch die "RIP Bill" gezwungen sehen, in andere Länder mit weniger Überwachung auszuweichen.

Das sagt die Regierung

Die "RIP Bill" ermöglicht es den Polizeibehörden, effektiv gegen Internet-Kriminalität vorzugehen, weil sie das Online-Verhalten und den E-Mail-Verkehr von Kriminellen überwachen kann.

Kinderpornografie und andere illegal im Internet vertriebene Daten sind oft verschlüsselt. Die "RIP Bill" erlaubt der Polizei eine Entschlüsselung dieser kriminellen Daten.

Es handelt sich bei der "RIP Bill" lediglich um eine Angleichung an Überwachungsbefugnisse, wie sie in den anderen EU-Staaten schon gang und gäbe sind.

Das sagen die Gegner

Die horrenden Kosten für Aufbau und Betrieb des aufwendigen Überwachungsapparats werden an die Internet-User abgewälzt, wodurch Großbritannien ein Wettbewerbsnachteil beim E-Commerce droht.

Die "RIP Bill" ermöglicht es der Regierung, ohne richterliche Erlaubnis das Surfverhalten und die E-Mail-Korrespondenz jedes Users zu überwachen.

Es handelt sich bei der "RIP Bill" keineswegs um eine Angleichung an Überwachungsbefugnisse, wie sie in den anderen EU-Staaten schon gang und gäbe sind. Im Gegenteil: Viele der in der "RIP Bill" vorgesehenen Befugnisse wären vom EU-Parlament zurückgewiesen worden.

Heftige Kritik von BBC und Tim Berners-Lee

Prominente Unterstützung bekamen die Gegner der Überwachungsinitiative durch Chris Humphries, den Generaldirektor der BBC. Die BBC hat sehr kritisch über die "RIP Bill" berichtet und so maßgeblich zur ablehnenden Haltung der britischen Öffentlichkeit gegenüber den geplanten Überwachungsmaßnahmen beigetragen.

Auch Tim Berners-Lee, als "Vater" des World Wide Web bekannt, hat heftig gegen die geplante "Regulation of Investigatory Powers" protestiert.