10.06.2000

VORTRAG

Bildquelle: Futurezone

Norbert Bolz über Rechtsprobleme im Internet

Norbert Bolz widmete sich vergangenen Donnerstag in Wien grundsätzlichen Fragen rund um Rechtsprobleme im Internet. Anlass war der Europäische Kongress des österreichischen Notariats mit der Themenstellung "Elektronik & Urkunde".

Für grundlegend hält Bolz zunächst den Trend der Deterritorialisierung. Von allen sozialen Systemen der modernen Gesellschaft sind Recht und Politik am stärksten am Prinzip der Territorialität orientiert. Das macht sie in einer Welt der totalen Mobilmachung hilflos. Wir müssen heute nämlich erkennen: Nationale Grenzen sind nicht mehr die Grenzen der Gesellschaft.

William Knole spricht von der "Placeless Society". Wenn man diese Welt positiv beschreiben will, hilft vielleicht eine biologische Metapher weiter: Nationalstaaten sind nur noch die Wirte, die das mobile Kapital als Parasit zur Koevolution einladen.

Das Internet ist die Infrastruktur der Weltkommunikation. Sie bringt eine verborgene Paradoxie der bürgerlichen Öffentlichkeit ans Licht.

"Öffentlich" heißt: gespeichert + zugänglich. Öffentlichkeit steht für freien Zugang zur Information - aber eben auch für Datenschutz als Bedingung des Vertrauens in die Weltkommunikation. Man kann diese Grundparadoxie, deren Auflösung man heute vom Recht erwartet noch schärfer formulieren. Die freie Gesellschaft schließt absolute Informationsfreiheit aus (Top Secret, Betriebsgeheimnis, Privatsphäre).

Im Hinblick auf die technische Infrastruktur bedeutet das: Je mehr das Internet leisten soll, desto mehr Kommunikationsschranken müssen eingebaut werden.

Neue Medienbedingungen und Copyright

Rechtsschutz ist die Bedingung dafür, dass Menschen Vertrauen in komplexe Systeme wie das Internet entwickeln. Doch schon die Diskussion über das Software-Copyright erinnert die Juristen daran, dass man in chaotischen Situationen keine Rechtsnormen anwenden kann. Die neuen zentralen Fragen in einer Wirtschaft des Unsichtbaren sind also: Wie schützt man intellektuelles Eigentum unter neuen Medienbedingungen? Macht in der Informations-Ökonomie der Begriff des Originals überhaupt noch Sinn? Kann es überhaupt ein digitales Copyright geben?

Komplexität der Gesellschaft verlangt Vertrauen

Diese Wirtschaft des Unsichtbaren stellt hohe Anforderungen an das Vertrauen. In der hochkomplexen Gesellschaft ist nicht mehr persönliches, sondern nur noch Systemvertrauen möglich.

Dies wird jedoch schwieriger. Denn wie soll, erstens, Vertrauen in immer kurzfristiger werdenden Beziehungen wachsen? Und wie soll man, zweitens, Vertrauen in wissensintensive und serviceintensive Produkte entwickeln, für die es ja charakteristisch ist, dass man sie nicht im voraus testen kann?