04.06.2000

BIG BUSINESS

Bildquelle: ap

Wer das Internet kontrolliert

Es ist noch nicht so lange her, da traf Lawrence Lessig auf Eric Raymond, ein prominentes Mitglieder der Open Source-Community. In dem Streitgespräch ging es um Kontrolle und Regulierung des Internet.

Raymond, so Lessig, vertrat dabei die Ansicht, dass die Open Source-Community weiterhin dafür eintreten sollte, dass nichts kontrolliert wird.

Niemand, schon gar nicht die Regierung, sollte mit Hilfe von "Anti-Trust-Laws"-Firmen vorschreiben, wie sie sich zu verhalten haben. Auch Microsoft nicht. Die Regierung muss draußen bleiben, das Netz könne auch weiterhin ohne Staat auskommen.

US-Regierung nicht der Hauptfeind

Für den Juristen Lawrence Lessig, der selbst die amerikanische Regierung beraten hat, ist diese Auffassung zu naiv. Die Open Source-Community müsse endlich aufwachen.

Die einfache Formel: "Selbstbestimmung ist gut, Regulierung ist schlecht" stimme schon lange nicht mehr.

Auch sei es heute kontraproduktiv in der Regierung nichts anderes als den Feind zu sehen, denn damit überlasse man Medienkonzernen und Telekommunikationsfirmen kampflos wichtiges Terrain.

Lawrence Lessig sagt erstens:

"Die Anhänger der Open Source-Bewegung können stolz sein auf alles, was sie bewirkt haben, aber wenn man diese Bewegung gegen Disney, IBM, Hewlett Packard oder Microsoft antreten lässt, dann glaube ich nicht, dass das ein fairer Kampf wird. Es wird in diesem Kampf keine Fairness geben, solange man die Regierung ausschließt. Solange die Menschen nicht eingebunden werden, die Dank Demokratie gemeinsam mit der Regierung für bestimmte Werte eintreten, werden wir den Kampf um ein freies Internet verlieren."

Monopolisten vs. Innovation

Es war die Regierung, die die Monopolstellung von AT&T beendete und so den Nährboden für die Entwicklung des Internet schuf. Denn die vielen Innovationen rund um das Netz, davon ist Lawrence Lessig überzeugt, wären mit dem alten Monopolisten nicht möglich gewesen.

Bill Gates hätte ohne die veränderte Sichtweise der 80er Jahre nie den Konzern IBM innerhalb so kurzer Zeit schlagen können. Das, so Lawrence Lessig, war die PC-Revolution. Aber dies sei vorbei.

Die alten Spieler und Monopolisten haben Washington wieder unter Kontrolle und beeinflussen schon längst die Weiterentwicklung des Internet. Hollywood und AT&T kehren wieder an ihren Platz als Kontrolleure von Inhalt und dessen Verbreitung zurück.

Lawrence Lessig sagt zweitens:

"Die Menschen reden über die Monopolisierung von Radio, Telefon oder Fernsehen. Gratulation, das haben wir alle in der Schule gelernt. Aber es wäre an der Zeit, dass die Menschen dieses Wissen nehmen und sich ansehen, was jetzt passiert. Was bedeutet das, wenn im Kongress darüber gesprochen wird, dass das Internet schneller, billiger und für alle zugänglich sein soll? Das passiert in Wirklichkeit ja nicht. In Wirklichkeit bauen sie gerade das Internet um in ein besseres, schnelleres Fernsehen. Ok, es wird um einiges interessanter werden als das alte Fernsehen, aber Internet muss nicht Fernsehen werden. Es kann mehr."

Regulation durch Gesetze und Patente

Der Digital Millenium Copyright Act von 1998 ist nur ein Beispiel dafür, welche Möglichkeiten die Regierung Clintons bisher zur Regulierung des Netzes ergriffen hat. Ironischerweise betont der Präsident weiterhin, dass das Netz sich so frei als möglich entwickeln sollte und allein der freie Markt die Entwicklung beeinflusse.

Neben dem Copyright wurden in den letzten Jahren auch die Patentrechte überarbeitet: Software und Geschäftsideen ["business process" oder "business methods patterns"] sind jetzt schutzwürdig.

Der Onlinebuchhändler Amazon nützte diese Änderung zum Beispiel, um sich die Rechte auf die Verkaufsidee "one click shopping" zu sichern.

Die Formel für Reichtum lautet in Amerika: "Je mehr Patente man hält, umso besser". Patente lassen allerdings die Kosten von anderen Firmen in die Höhe schnellen. Spüren werden das eher die Nichtamerikaner als die Amerikaner, meint Lawrence Lessig. Vor allem, wenn Ideen patentiert werden.

Lawrence Lessig sagt drittens:

"Bevor sie Ideen auf ihrer Website implementieren können, müssen sie sich zuerst mit einer amerikanischen Rechtskanzlei an einen Tisch setzen und einen Lizenzvertrag aushandeln. Den Gewinn streifen da die Amerikaner ein. Es betrifft auch eher kleine Firmen als große. Wenn IBM in einen Patentstreit mit Hewlett Packard gerät, spielt das keine allzugroße Rolle. Der eine greift in seine große Sammlung an Patenten und es werden ganz einfach Lizenzen ausgetauscht. Gerät man aber als Kleiner in einen Patentstreit mit Hewlett Packard und hat nichts Interessantes anzubieten, dann hat man wirklich ein Problem. Diese Entwicklung rund um das Patent führt jetzt dazu, dass man - bevor man kreativ etwas weiterentwickeln kann - eine Lizenz erwerben muss."

Big Business kontrolliert bereits das Netz

Trotzdem Lawrence Lessig den Anhängern der Open Source-Community vorhält, sie würden in der Vergangenheit leben, setzt er weiterhin auf sie.

Allerdings unter einer Bedingung: Die Apologeten müssten endlich wie TimeWarner, AOL, IBM oder die Plattenindustrie erkennen, dass das Netz regulierbar ist und schon längst reguliert wird: Sowohl von der Regierung, als auch von der Softwareindustrie, den Medienkonzernen und den Telekommunikationsanbietern.