Google, bleib bei deinen Leisten
In letzter Zeit führen sich IT-Megakonzerne gerne so auf wie Madonna und versuchen, die innere Ödnis durch fliegende Produktwechsel zu übertünchen. Google baut BunteBälleBrowser, Amazon will ein Musiklexikon sein, alle machen das, was sie nicht sollen. Wir meinen: So geht das einfach nicht.
Die Tür geht auf, der Allgemeinarzt rennt aufgeregt durch unser Wohnzimmer und jauchzt. Er will jetzt auch eine Fleischhauerei aufmachen. Fleisch bleibt schließlich Fleisch, und wer heilen kann, der kann auch schlachten. Wir geben ihm recht, niemand kann das Mittagessen so schön anbrennen lassen wie Mama. Und ihre Küche ist die beste.
Was will uns das für die IT-Branche mitgeben? Essenstechnisch wenig. Aber Google hat sich nun durch seinen überraschend aufgetauchten Browser Chrome dazu entschlossen, im Web nichts anbrennen zu lassen. Obwohl ich mir denken kann, dass jemand in Zürich durch Google rannte und brüllte: "Nei, so öppis, i han es Brauserli gfunde." Und an der Westküste jemand in Realtime "Wow, that's amazing, let us put it on the web and rule the world" zurückbrüllte.
Seitdem macht Google das, was es noch nie wirklich gut beherrschte: das, was es eigentlich nicht vorhatte. Wen interessiert denn noch der Browser-Markt, wenn sich hinterm Fenster nichts Neues tut?
Da könnte ja auch jeder kommen. Tut auch so gut wie jeder. Scheinbar ist allen ein wenig langweilig. Und so bauen grinsende Herren Computer, die wie die menschliche Retina funktionieren. Was war ich froh, dass der ursprüngliche Plan, den Schließmuskel als Vorbild zu nehmen, ad acta gelegt wurde. Oder jemand kümmert sich um die restlose Vernichtung der Business-Card, um scheinbar neuen Lebensraum in seiner Geldbörse zu schaffen. Vernichtung ist so letztes Jahrhundert.
Ein Versandhaus in Seattle kümmert sich stattdessen lieber darum, dass wir alles über Musik wissen, bevor wir sie eh nicht mehr bei Amazon bestellen, sondern P2Pen. Fehlt nur noch die klassische Social Network Community Tour, denn scheinbar müssen sich alle Kunden liebhaben, bevor sie etwas kaufen und miteinander in Austausch treten wie in einem australischen Pfadfinderlager und sich gegenseitig als Freunde vernetzen.
Oder sie sollen sogar sagen, dass sie das Zeug ihrer angeblichen Freunde sogar lesen. Blogger hat jetzt auch so ein Feature. Damned, schon wieder Google. Ist es nicht absurd, dass ein Suchmaschinenbetreiber ständig neue Anwendungen und Businessmodelle finden möchte? Oder vielleicht sogar Eat your own dogfood in einem ganz merkwürdigen Verständnis der Funktion von Hundefutter. Das soll nämlich einen Hausangestellten ernähren, nicht die Familie.
In diesem Sinne wird das Bruttosozialprodukt von Dänemark auch nicht wesentlich steigen, wenn man Lego in Zukunft als 3-D-Printer einsetzen kann. Mich persönlich würden eh die Noppen auf den Dingern stören, die da rauskommen. Man muss ja auch nicht alles in einem Haushalt zusammenstecken können. Man sollte vielmehr zwei und zwei zusammenzählen können. Zum Beispiel, indem man einfach versteht, dass Menschen mit volllaufendem Keller keine wirklich guten Meteorologen sind. Und Google kann alles außer Applikationen. Die sehen immer so aus wie das Zeug von Microsoft, bevor Bill Gates durch seine Hochzeit ein wenig entspannter wurde.
Aber halt, das nennt der "Spiegel" ja heute: bestechend einfach. Vielleicht sollten die lieber über Bush und Britney schreiben. Beide werden ja auch bald das machen, was sie eigentlich können: nichts.
(Harald Taglinger)