IT-Industrie gegen "Cybercrime"-Gesetze
Die vom Medienecho auf den "ILOVEYOU"-Virus angeheizte Hoffnung der G8-Vertreter, schnell und ohne nennenswerte Proteste zu international koordinierten Maßnahmen gegen "Cyber-Kriminalität" - und damit zu einer Regulierung des Netzes - zu gelangen, hat einen empfindlichen Dämpfer bekommen.
Maßgebliche Interessensgruppen von IT-Unternehmen haben die führenden Industrienationen heute vor einer Überregulierung des Internets im Kampf gegen Verbrechen und Virus-Angriffe gewarnt.
Zu strenge Gesetze behinderten die Verbreitung des elektronischen Handels, erklärten die "Internet Alliance" [IA] und das "Global Internet Project" [GIP] auf der Konferenz der G8-Staaten zur Internet-Kriminalität in Paris.
Die Hacker-Jagd
Das dreitägige "Cybercrime"-Treffen sollte nach dem Willen der
Organisatoren eine Art Weltgipfel gegen die Kriminalität im Internet
werden.

Ergebnisse in Okinawa
Trotz der verständlichen Sorge der Regierungen über die jüngsten Angriffe auf Computersysteme sollten sie der Versuchung widerstehen, neue Gesetze zu erlassen, sagte der GIP-Vorsitzende und IBM-Vizechef für Internet-Technologie, John Patrick.
Seit dem Beginn des Treffens hatten Industrievertreter wiederholt eine stärkere Umsetzung bestehender Gesetze statt neuer Verordnungen gefordert. Nach der dreitägigen Konferenz sollten die G8-Vertreter Empfehlungen an ihre Regierung für den G8-Gipfel im Juli in Okinawa vorlegen.

Bekannte Verbrechen
In einem Bericht der IA hieß es, der größte Teil der Online-Kriminalität bestehe aus bekannten Verbrechen, die nun im Internet verübt würden. Zunächst müssten daher bestehende Gesetze konsequent angewendet werden.
Ein Sprecher der französischen Computersicherheits-Firma CF6 sagte, auch ohne neue Gesetze würden mehr und mehr Hacker gefasst. "Sie sind Angeber", sagte er. Sie würden auch nicht mit neuer Technologie geschnappt, sondern wenn sie in Chatrooms mit ihren jüngsten Machenschaften prahlten.
Die Internet Alliance
Zur IA gehören Firmen wie Microsoft, die Telekom und die
Citibank.

Flucht in andere Länder
IA-Vertreter sprachen sich zudem gegen Teile einer Konvention über Internet-Kriminalität aus, die zurzeit vom Europarat erarbeitet wird.
Die Konvention sieht vor, dass alle Unterzeichnerstaaten ihre Gesetze harmonisieren müssten. Dieser Zwang sei Besorgnis erregend, hieß es. Wenn Firmen gezwungen würden, Aufgaben bei der Verbrechensbekämpfung zu übernehmen, könnte dies eine Flucht von Firmen in Länder mit günstigeren Gesetzen auslösen.
Die GIP forderte die Staaten auf, ihre Computersysteme ausreichend zu sichern, den Einsatz von Verschlüsselungsprogrammen freizugeben und auch vertrauliches Wissen über Bedrohungen von Computersystemen auszutauschen.