Software-Patente als Waffen betrachtet
Richard Stallman legt Wert darauf, dass der Begriff korrekt "Software-Ideen-Patente" heißen müsse. Nicht aus Gründen politischer Korrektheit, sondern weil es sich tatsächlich um Patente auf Ideen handle, wenn man die Argumentation der Befürworter durchdenke.
Patente auf Software seien nun einmal nicht mit Patenten auf anderen Technikgebieten zu vergleichen, zumal sie ihre Wirkung nicht in einem spezialisierten Segment des Technologiemarkts entfalteten, sondern alle Computer-Benutzer beträfen.
Gerade kleine Firmen könnten sich in der Regel schlecht verteidigen, wenn die Großen mit der Patentkeule ausholten und gegebenenfalls zuschlügen. Wie die Vergangenheit gezeigt habe, seien nach Zusammenbrüchen von kleineren Firmen wieder frei gewordene Patente nach kurzer Zeit in andere Hände gelangt. "Danach wurden sie zum Angriff auf ein anderes Unternehmen genutzt", so Stallman weiter.
Titel
Stallman auf einer Pressekonferenz am Mittwoch in der Wirtschaftskammer in Wien. Mit auf dem Podium die EU-Abgeordneten Otmar Karas [ÖVP, dunkler Anzug] und Mercedes Echerer [Grüne]
Cross-Licensing von Waffen
Die Großen benutzten Patente überhaupt wie Waffen, in der Regel eher zur Abschreckung mit der klaren Botschaft: "Greift uns nicht, denn wir schießen zurück."
Durch wechselweises "Cross-Licencising" dieser Patente ließe sich der Markt dann untereinander aufteilen, was anderen Firmen ab diesem Zeitpunkt nur noch wenige Chancen ließe.
Bei der Frage auf das dümmste ihm bekannte Patent antwortet Stallman sofort: "Das Patent auf die hohe Kunst, Bits zu modifizieren." Mitte der 70er Jahre hatte der Inhaber eines Patents auf die Darstellung und Bewegung des Cursors auf "Bitmap Display Screens" - eine Trivialanwendung - Forderungen an die Entwicklerfirmen geltend gemacht.
Das habe schon damals die Entwicklung der gesamten Software-Branche behindert, an der Patentvergabepraxis in den USA habe sich seitdem nichts geändert.

Das US-Patentsystem
"Wenn die USA etwas falsch machen, korrigieren sie den Fehler nicht, sondern wollen die gesamte Welt dazu bringen, denselben Fehler ebenfalls zu begehen", so Stallman.
Der GNU-Guru am Rande der Demonstration gegen Software-Patente am Mittwoch vor dem Europäischen Patentamt in Wien.
Wer Richard Stallman ist
Richard Stallman - Doktor der Physik und Träger mehrerer Ehrendoktorate weltweit - ließ 1984 seine Karriere am Massachussetts Institute of Technology Karriere sein, um sich fortan dem Schreiben freier Software zu widmen.
Unter Stallmanns Leitung produzierten die Freiwilligen des GNU-Projekts eine kaum überschaubare Anzahl von Anwendungen und Software-Tools, zu denen Linus Torvalds 1991 den passenden Kernel hinzufügte.
Stallman selbst hatte bereits 1975 den Ur-Editor "Emacs" für Unix-Betriebssysteme geschrieben, der auf praktisch allen Linux- und Unix-Rechnern bis heute zu den Standardprogrammen gehört.

Während seines Wien-Aufenthalts blieb dem Guru des GNU wenig Zeit, schon am Abend ging es weiter zu den Linuxwochen nach Linz. In den nächsten Wochen tourt er durch die Hauptstädte Europas.
