02.02.2000

ANALYSE

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Wie es mit AON Complete [nicht] weitergeht

Der für die Technik verantwortliche Telekom-Vorstand fand, AON Complete sei ein mutiger Schritt des Telekom-Vorstands gewesen. Immerhin habe die angeblich so träge Telekom da etwas Innovatives und europaweit Einzigartiges in puncto Pauschalzugang risikiert.

Na gut, dann sei man halt damit auf die Nase gefallen, aber: "Wir haben viel daraus gelernt."

Wer hätte denn vorher wissen können, dass die nach Erkenntnis aller internationalen Studien prognostizierte Kundenzahl von 6.000 gleich um das Fünffache übertroffen werde? Und dass die Kunden dann so lang wie möglich online blieben, statt abzudrehen - wer hätte das gedacht?

Ein bisschen Common Sense hätte vielleicht ergeben, dass das ganze Unternehmen ISDN-Pauschaltarif von Anfang an zum Scheitern bestimmt war, nur wollte das halt keiner hören.

Kopfrechnen im IT-Zeitalter

400 ATS ISDN-Grundgebühr, rund 200 ATS Providerkosten dazugezählt und Online-Kosten in unbestimmter Höhe ergeben eine monatliche Summe von bis zu mehreren tausend ATS.

Für alle User, die schon bisher mit ISDN ins Netz gegangen waren, stellte AON Complete [ATS 599] damit ein Muss dar. Nicht einmal Kosten für ein Modem [Card] oder Installation fielen an, zwei Einträge im DFÜ-Netzwerk, und schon war man zum Pauschaltarif im Netz.

Wissen für Nicht-Vorstände

Dass gerade Dauer-User aller Art mit hohen Online-Rechnungen bei einem so günstigen Pauschaltarif als Erste zuschlagen würden, dürfte auch für Nicht-Vorstände der Telekom kein Wunder sein.

Wählämter sind für Telefonie gebaut

Warum niemand freiwillig offline ging - schon gar nicht nach ersten Problemen bei der Neueinwahl -,

zeigt die Conditio humana seit der Antike: Der Mensch nimmt prinzipiell immer alles, was angeboten wird.

Und schließlich sind Wählämter für Telefonie gebaut und nicht für Standleitungen - dies sollte der Begriff "Wählamt" schon hinlänglich erklären.

Wie es nicht weitergeht

Wie es für AON Complete weitergeht, ist längst nicht so einfach, wie es die Verantwortlichen der Telekom erklären. Zum einen läuft die Klage von Inode weiter, die sich auf Speed und Complete bezieht.

Zum anderen kann die Telekom kein gesteigertes Interesse daran haben, alle betroffenen Wählämter mit ISDN-Zugängen weiter hochzurüsten, wenn möglichst vielen Usern heuer vor allem ADSL verkauft werden soll.

Und drittens werden es sich gerade Kunden, die ISDN-Anschluss und Equipment wegen AON Complete angeschafft haben, wohl kaum gefallen lassen, mit einer Monatspauschale abgefunden zu werden, wenn Einwahl-Probleme und Notmaßnahmen wie das 2-Stunden-Limit weiterhin bestehen.

Provider Inode stellt klar

Für den Provider Inode, bei dem eine Menge E-Mails erboster Complete-Kunden eingetroffen sind, mit dem Vorwurf, Inode würde sie um ein günstiges Produkt bringen wollen, stellt Michael Gredenberg klar:

"Es ist nicht unser Ziel, bestehenden Kunden etwas wegzunehmen, die Ziele unserer Klage waren und sind: ungedämpfte 2-Drahtmietleitungen von der Telekom zu einem fairen Preis, damit alle Provider die Möglichkeit haben, ADSL anzubieten. Entbündelung für alle Provider und Pauschaltarif für alle Provider.

Im Urteilsbegehren steht nichts davon, dass gefordert wird, dass mit dem Verkauf eines AON-Produktes gestoppt werden soll, oder gar, dass bestehende Verträge angegriffen werden sollen."

Ein Urteil gegen die Telekom in dieser Sache, sagte Inode-Anwalt Georg Zanger am Mittwochnachmittag, könne, je nachdem wie es ausfällt, "sehr wohl auf bestehende Verträge bei AON Complete und ADSL Wirkung haben".