© Schiebel, Schiebel Camcopter

Österreichische Drohnen über dem Irak

FLUGGERÄTE
12.03.2010

Bestückt mit Funkscannern und anderen Sensoren gehen die Helikopterdrohnen des Wiener Neustädter Unternehmens Schiebel im Irak auf die Suche nach versteckten Sprengsätzen. Mit den Rüstungsgiganten Thales und Boeing als Partner mischt Schiebel gerade den Weltmarkt für Mittelklassedrohnen auf.

"Wir haben es gewusst. Jetzt kommen wir zum Zug, denn wir sind mit unserem Produkt extrem gut positioniert", sagte Hans Georg Schiebel, Geschäftsführer der gleichnamigen Firmengruppe, nicht ohne Genugtuung zu ORF.at.

Der österreichische Erfinder und Unternehmer ist drauf und dran, mit seiner Aufklärungsdrohne Camcopter S-100 den Weltmarkt aufzumischen. 100 Stück sind von Malaysia bis zum Irak und den USA weltweit im Einsatz, das Unternehmen expandiert. Der Einsatzzweck der Drohne ist vielfältig: Von der automatisierten Pipeline-Kontrolle bis zu Einsätzen über dem Meer reicht die Palette der Anwendungsmöglichkeiten.

Die jüngsten Nachrichten von einer signifikanten Umstellung der US-Militärstrategie bezüglich Drohnen versetzten das Unternehmen aus Wiener Neustadt in eine einzigartige Position. In Zukunft werden - von Minidrohnen für den GI-Rucksack abgesehen - voraussichtlich nur noch zwei Typen von den Militärs benötigt.

Vernetzte Gefechtsfeldsensorik

Beim ersten Typ handelt es sich um hoch fliegendes Gerät mit Jetantrieb, das gleichzeitig als Mittelstreckenaufklärer und als "Hunter/Killer" eingesetzt werden kann. Vorstellen muss man sich das wie eine Mischung aus den bereits bekannten Drohnentypen Predator und Reaper sowie dem Fernaufklärer Global Hawk. Um deren Aufgaben zu erfüllen, muss also nur bestehende Technologie, die seit Jahren im Einsatz ist, entsprechend modifiziert werden.

Ganz anders verhält es sich beim zweiten Drohnentyp, der für die Strategie der US-Armee noch wichtiger ist als die oben genannten Aufklärungs- und Killermaschinen.

Im Zentrum der Ende 2009 verkündeten neuen Militärdoktrin steht "vernetzte Gefechtsfeldsensorik", also ein System aus autonomen, untereinander kommunizierenden Sensoren. Dabei kann es sich um Videokameras, Infrarot-Nachtsensoren, Sprengstoffdetektions- oder Metallsensoren handeln, aber auch um Funkscanner, die das Frequenzspektrum nach Signalen absuchen, wie sie etwa für fernzündbare Bomben typisch sind.

Helidrohne mit Hellfire-Raketen

Die Weiterentwicklung des einzigen anderen Drohnenhelikopters - umgebautes ziviles Fluggerät vom Typ Schweizer/Sikorsky 333 - wurde im Jänner eingestellt. Die mit Hellfire-Raketen und anderen lasergesteuerten Lenkwaffen schwer bestückten MQ-8B Fire Scout können trotz ihrer 750 PS starken Turbinen nur 90 Kilo weitere Nutzlast transportieren.

Sine qua non Senkrechtstart

Diese Sensoren, die beispielsweise an Kontrollpunkten und vorgeschobenen Posten angebracht sind, werden durch verhältnismäßig niedrig fliegende Drohnen vernetzt, die ihrerseits mit zusätzlichen Sensoren ausgestattet sind. Das Ganze nennt sich im Jargon der Militärs "Situational Awareness" für das Gefechtsfeld-Kontrollzentrum (C4). Die wichtigste Vorgabe in der geänderten Drohnendoktrin aber ist das Trumpfass für Schiebel.

Voraussetzung für solche Einsätze ist nämlich, dass die Drohnen autonom senkrecht starten und landen können - womit sämtliche Flugzeugdrohnen der Mittelklasse aus dem Rennen sind. Die Verluste, die die US-Militärs vor allem bei den Start- und Landemanövern der Waagrechtstarter hinnehmen mussten, waren enorm. Schiebel hat nicht nur die einzige fertig entwickelte Helidrohne auf dem Markt, sie erfüllt auch alle anderen Anforderungen der Militärs so genau, als wäre die Ausschreibung anhand der S-100-Featureliste erstellt worden.

Wankelmotor mit 55 PS

Das Schiebel'sche Fluggerät kann bei vollem Tank 50 Kilo Sensornutzlast transportieren und bleibt dabei sechs bis acht Stunden ununterbrochen in der Luft. Für die Navy wiederum ist extrem wichtig, dass der Helikopter auch bei starkem Wind starten und landen kann.

Berichte in Aviatik-Zeitschriften und militärische Tests bescheinigen dem Camcopter nicht nur das, sondern generell sehr gute Flugeigenschaften sowie hohe Wendigkeit und Stabilität. Der 55-PS-Wankelmotor arbeitet dabei extrem vibrationsarm, was für Übertragung gut auflösender Videos besonders wichtig ist.

Ein weiteres Feature der Schiebel-Drohnen übertrifft die Anforderungen in puncto Flugsicherheit sogar. Bei knapp 110 Kilo Leergewicht wurde von der Navigation angefangen die gesamte Elektronik redundant ausgelegt. Jedes Schaltelement ist mindestens zweimal vorhanden.

Absturzserie

Von der britischen Armee weiß man, dass zwischen 2003 und 2007 in Afghanistan und im Irak 90 Drohnen abstürzten oder auf andere Art zerstört wurden. Von knapp 200 Predators der US Air Force, die schon im Jugoslawien-Krieg im Einsatz waren, ging über ein Drittel verloren. Nur eine Handvoll wurde abgeschossen, die meisten stürzten wegen Bedienungsfehlern ab.

Jagd auf Sprengfallen

"Im Irak jagen wir bereits IEDs", sagte Schiebel. Um diese getarnten Sprengfallen zu entdecken, hätten "unsere Flieger Funkscanner eingebaut". Daneben werden auch Infrarotkameras an Bord eingesetzt. Bomben aufzuspüren gehört seit Anfang der 90er Jahre zum Kerngeschäft der Firma. Damals hatte der Erfinder und Unternehmer seinen ersten Coup gelandet: Binnen weniger Jahre stieg das Unternehmen zum Weltmarktführer bei tragbaren Minensuchgeräten auf.

Der Ansatz, diese Minensuche aus der Luft zu betreiben, brachte Schiebel Mitte der 90er Jahre auf die Idee, eine Helikopterdrohne zu entwickeln, die einfach für ganz verschiedene E?nsatzzwecke modifizierbar ist. "Ich habe die Anforderungen damals halt sehr genau analysiert und überlegt, was man mit so einer Drohne machen kann", sagte Schiebel zu ORF.at.

Wie schon das zusammenklappbare Minensuchgerät MIMID wurde der Camcopter S-100 in die permanente Designausstellung des Museum of Modern Art in New York aufgenommen.

Heraus kam ein Fluggerät, das seit 2009 von Boeing vertrieben wird - als "Minenkiller", das sei eine Kernanforderung der Amerikaner, so Schiebel. Doch nicht nur die haben Interesse an dem wendigen Vielzweckfluggerät.

In Frankreich, wo Schiebel mit dem Rüstungsgiganten Thales eine Kooperation eingegangen ist, testen Armee und Marine eine Version des S-100, die mit Video- und Kamersensoren ausgestattet ist. Wie alle andere Konzerne verfügt auch Thales bisher nur über Designstudien für eine Drohne, die autonom senkrecht starten und landen kann.

(futurezone/Erich Moechel)