
Bibel XP und Updates für Gandalf
Sicherheitslücken im neuen Grisham, Service-Packs für den "Herrn der Ringe" und Empfehlungslisten für die beliebtesten Tippfehler in Word: Eine Patentvereinbarung zwischen Amazon und Microsoft macht alles Mögliche möglich. Aber wollen wir das wirklich?
So ganz klar wird einem nicht, warum Amazon und Microsoft eine Patentvereinbarung schließen. Zumindest nicht auf den allerersten Blick. Zwei Große auf dem Markt sagen: Ach komm, lass uns Freunde sein. Zitieren wir zur Abwechslung mal aus der Presseverlautbarung von Microsoft:
The agreement provides each company with access to the other's patent portfolio and covers a broad range of products and technology, including coverage for Amazon's popular e-reading device, Kindle™, which employs both open source and Amazon's proprietary software components, and Amazon's use of Linux-based servers.
Übersetzung: "Du hast zwar einen Bagger und ich eine Puppenstube, du eine Ritterburg und ich ein Fahrrad, aber irgendetwas kann man sicher damit spielen." In der Kindersprache erwachsener Manager nennt man das "Synergie" oder auch - leiser und hinter verschlossenen Türen - "Chaos im Produktportfolio". Aber lustig sind die nun denkbaren Möglichkeiten schon.
Nun glauben wir nicht, dass Microsoft in Zukunft verstärkt Linux einsetzen will. Wer das in Redmond vorschlägt, ist, sagen wir mal, mutig oder bis zirka 2008 bei Hotmail tätig gewesen.
Oder man will Online-Komponenten für Office billig irgendwo hosten und das dann auch aggressiv genug in den Markt drücken. Und für mehr als Spielzeug hat Amazon ja ein paar Server in der Wolke stehen.
Auf der anderen Seite ist der Kindle von Amazon ein so krudes Lesegerät, dass es genauso gut mit Windows laufen kann. Wenn schon Milchglasscheibe mit Batteriebetrieb, dann aber richtig. Wir warten auf die Umbenennung in "Kista" oder "Kbox".
Aber wahrscheinlich denken wir alle zu kurz. Papier stirbt zwar nicht, aber es ist einfach unbrauchbar, um etwas schnell und rückstandsfrei nachzubessern. Wer kann denn zum Beispiel einen Bugfix in die Bibel laden, wenn - sagen wir mal - ein neuer Heiland plötzlich den alten ablöst oder ein fünftes Evangelium vom Himmel regnet? Eben. Das geht nur mit einem Kindle. Und wer ist der mit dem größten Fix im Kreuz? Microsoft, richtig. Die können das, aber so richtig. Die werden die Literaturgeschichte patchen, dass alle Germanistikprofessoren der Universität Wien freiwillig auf die "Kronen Zeitung" umsteigen.
Also freuen wir uns auf Service Pack 2 für den "Herrn der Ringe" (Wie? Gandalf hat Haarausfall? Das Pferd auch?) und ein außerplanmäßiges Update aller Thomas-Mann-Romane. Dummerweise kam auf, dass der Herr auch nachmittags geschrieben hat, und nun müssen alle "Zauberberg XP" lesen. Oder, besser gesagt: würden lesen, wenn da nicht die dummen Probleme mit den Abstürzen beim Umblättern wären. Und der Lesertreiber für Brillenträger ist auch noch nicht auf dem Markt.
Ich weiß nicht, ob es nur mir so ging, aber als ich den Vortrag von Bill Gates über eine neue Methode zur Energiegewinnung mittels besserer Verwertung von Uran gesehen habe, konnte ich nicht anders, als auf den unheimlich hell strahlenden Bildschirm meines Windows-7-Laptops zu gucken und mir zu denken: Könnt ihr nicht wenigstens die paar Bücher und Atome in Frieden lassen?
Link:
(Harald Taglinger)