
Kampfdrohnen aus dem Baukasten
Die US-Luftwaffe investiert derzeit Millionen in Ausbau und Neugestaltung ihrer Flotte unbemannter Fluggeräte. Die Drohnen der nächsten Generation werden modular aufgebaut sein und ein breites Spektrum militärischer Aufgaben übernehmen können - von der Überwachung bis hin zum gezielten Töten.
"Der UAS-Plan der Air Force beschreibt eine Familie von unbemannten Fluggeräten, von Mikro- und Nanodrohnen sowie kleinen Maschinen, die von Soldaten mit ins Feld getragen werden können, sowie auch großen Fluggeräten wie Tankern und Abfangjägern und Spezialgerät mit einzigartigen Fähigkeiten, die alle zusammen autonom operieren können." Das schreiben General Norton Schwartz, Stabschef der US Air Force, und Michael Donley, seines Zeichens oberster Manager der US-Luftstreitkräfte, in einem neuen Strategiepapier.
Kern des neuen US-Drohnenkonzepts ist, die unbemannten Fluggeräte miteinander kompatibel zu machen und untereinander zu vernetzen. Auch die Nutzlasten, die "Payload", also Kameras, Sensoren, Funk- und natürlich auch Waffensysteme, sollen modular gestaltet werden, damit sie bei Bedarf unter den verschiedenen Trägersystemen ausgetauscht werden können.
Millionenschwere Rüstungsaufträge
Erst Ende Juni erhielt der Rüstungsproduzent Northrop Grumman zum Beispiel einen Auftrag zur Lieferung eines Moduls der Gewichtsklasse "Payload 1 C" für "skalierte Sensoren" zum Zweck von "system communications intelligence airborne signals intelligence" für die Predator-Drohne des Herstellers General Atomics Aeronautical.
Diese aus dem spröden Jargon der Militärs kaum in Zivilsprache übersetzbare Formulierung bezeichnet ein elektronisches Aufklärungssystem, das alle möglichen Arten von Funksignalen abfangen, identifizieren und zur Auswertung weiterleiten kann. Auftragswert: 71 Millionen Dollar.
Im April erhielt General Atomics den Zuschlag für die Lieferung von produktionsreifen Prototypen (Test Assets) für eine Mehrzweckdrohne mit erhöhter Reichweite. Das Volumen des Geschäfts umfasst immerhin rund 24 Millionen Dollar. McDonnell Douglas wiederum winken 250 Millionen Dollar für die Entwicklung eines Drohnensystems zur Aufklärung und Zielbeobachtung.
Millionen für proprietäre Systeme
Binnen drei Monaten wurden so 350 Millionen US-Dollar für Komponenten von Drohnensystemen ausgegeben, bei denen vom geforderten interoperablen "Plug and Play" keine Rede sein kann. Es handelt sich vielmehr samt und sonders um proprietäre Produkte dreier verschiedener Hersteller, die untereinander kaum bis gar nicht kompatibel sind.
Ohne standardisierte Schnittstellen gibt es auch keinen echten Wettbewerb in der Rüstungsindustrie. Wessen Produkte einmal eingeführt sind, der kann jahrelang mit weiteren exklusiven Zulieferaufträgen rechnen. Die nunmehr nachgerüsteten Predator-Drohnen haben zum Beispiel bereits eine "Dienstzeit" von 14 Jahren hinter sich, denn eingeführt wurde das erste Modell schon 1995.
Der "Athena"-Plan
Im "Athena"-Programm der US-Geheimdienste für künftige voll vernetzte Kriegsführung vor allem aus der Luft spielen Drohnen eine wichtigen Rolle. Über Ausschreibungen und Stellenanzeigen zeichnen sich die Konturen eines Systems ab, das auf eine Verschmelzung von Kriegsrealität und Computerspiel hinausläuft.
Hohe Verluste an Gerät
Nachgerade fatal wirkt sich der Umstand aus, dass jedes Produkt einer stetig wachsenden Anzahl von Herstellern über eine eigene Benutzerschnittstelle zur Steuerung verfügt. Da militärische Drohnen ohnehin nicht einfach zu bedienen sind und in der Regel manuell gestartet und gelandet werden müssen, schlägt sich der Wildwuchs in hohen Verlusten am Gerät nieder.
Das ist bekannt, doch da diese Verluste unter militärische Geheimnisse fallen, sind Zahlen schwer zu erhalten, halbwegs verlässliche Schätzungen sind nur auf Umwegen möglich.
Von der britischen Armee weiß man zum Beispiel, dass zwischen 2003 und 2007 in Afghanistan und im Irak 90 Drohnen abstürzten oder auf andere Art zerstört wurden. Von knapp 200 Predators der Air Force, die schon im Jugoslawien-Krieg im Einsatz waren, gingen über ein Drittel verloren. Nur eine Handvoll davon wurde abgeschossen, der Rest stürzte vornehmlich wegen Bedienungsfehlern, schlechter Wetterbedingungen oder schlicht wegen Spritmangels ab.
Absturzursache menschliches Versagen
Ein Gutachten des Berlin Institute of Technology bringt die Probleme auf den Punkt. Während die technischen Ursachen für Abstürze ständig zurückgingen, seien die auf Bedienungsfehler zurückzuführenden Verluste um 80 Prozent gestiegen, heißt es da.
Ursache seien die "Nichtbeachtung allgemeiner Designstandards von Mensch-Maschine-Schnittstellen in Cockpits" und die damit einhergehende "indirekte Förderung einer PC-Gaming-Einstellung samt Tunnelblick". Dazu kämen "Designfehler bei der Zusammenführung der Aufgaben von Pilot und Controller".
Diesen Problemen, die natürlich auch der US Air Force bekannt sind, will man dort nun durch strikte Standardisierung der Interfaces begegnen.
"High Fidelity"-Flugsimulator
An der Spitze der Prioritätenliste zur Lösung dieses Problems steht daher der Entwurf und Bau eines "High Fidelity"-Flugsimulators mit dem Ziel, die gesamte Ausbildung der Drohnenpiloten auf diesem Gerät durchzuführen.
Dazu gehören neue "Command and Control"-Geräte, komplexe Fernbedienungen für Drohnen, die auf einer offenen Systemarchitektur basieren. Außerdem fordert die Air Force die Entwicklung neuer Anti-Kollisionssysteme sowie von Gerätschaften, die es ermöglichen, die unbemannten Fluggeräte ohne menschliche Intervention starten und landen zu lassen.
Rechnet man das alles zusammen, dann ist unschwer abzusehen, dass eine stattliche Anzahl der Drohnen bei der Ausbildung neuer "Piloten" vor allem während der Start- und Landephase der Drohnen verloren gegangen sein muss. Strikter Drill an den neuen Interfaces soll verhindern, dass die Soldaten im Kontrollcockpit einer Drohne auch nur für Sekunden die Steuerung eines fünf Millionen Dollar teuren militärischen Fluggeräts mit einem Computerspiel verwechseln.
Die modulare Drohne
Was die Einsatzmöglichkeiten für diese Drohnenflotte angeht, sieht der Plan eine Art taktische Vielzweckwaffe vor, deren Einzelelemente alle zusammenpassen und gegeneinander austauschbar sind.
Sie soll dort zum Einsatz kommen, wo der "menschliche Faktor" die Ausführung einer Mission verhindere, was nämlich "Reaktionsgeschwindigkeit, Ausdauer und den Einsatz in verseuchtem Terrain" betrifft.
Unbemannte Drohnen werden derzeit in vielen Ländern zu militärischen und zivilen Zwecken entwickelt. An der Spitze liegen die USA, dahinter folgt Israel. Aber auch der Iran und Pakistan verfügen über mehrere selbst entwickelte Modelle.
Der menschliche Faktor
Auf einen allen Militärs dieser Welt bekannten "menschlichen Faktor" gingen die Generalstäbler der Air Force allerdings nicht ein: dass Menschen, die im Begriff sind, auf andere Menschen zu feuern, sehr häufig in letzter Sekunde "verreißen", also danebenschießen.
Das kann einer Drohne nicht passieren. Sobald das unbemannte Fluggerät einmal sicher gestartet wurde, fliegt es in Richtung Zielkoordinaten und feuert seine "Payload" an Raketen punktgenau ins Ziel.
Das ist einer der Gründe, warum für jene "Spezialmissionen" in Afghanistan und Nordpakistan, die das Ziel haben, ranghohe Taliban-Führer auszuschalten, und stets mit hohen zivilen Opferzahlen einhergehen, nicht von Jagdbombern ausgeführt werden, sondern von Drohnen.
(futurezone /Erich Moechel)