19.01.2000

KÜHL

Bildquelle: transmeta

Die mobile Chip-Revolution

Nach fünfjähriger Entwicklungszeit unter strikter Geheimhaltung und nach extrem hoch gesteckten Erwartungen wurden gestern von Transmeta die "Crusoe"-Prozessoren vorgestellt.

Diese sollen durch ein völlig neues Software-basiertes Konzept bei extrem geringem Energieverbrauch - und entsprechend wenig Hitzeentwicklung - den mobilen Netzzugang revolutionieren.

Laptops, Web-Pads oder PDAs mit integrierten Handyfunktionen sollen bisher undenkbare Batterie-Laufzeiten erreichen. Letztere auch - im Gegensatz zu Windows-CE- oder Palm-OS-Geräten - die volle Leistungsfähigkeit und Vielseitigkeit eines PCs.

Die annähernd 100 Millionen Euro, die die Firma in den letzten Jahren erhielt, stammen unter anderem von Microsoft-Gründer Paul Allen, George Soros und der Deutschen Bank. Gegründet wurde Transmeta von David Ditzel, der zuvor Chefarchitekt der SPARC-Prozessoren von Sun war. Zu den 200 Angestellten der Firma zählt seit drei Jahren auch Linuxerfinder Linus Torvalds.

Firmengründer Ditzel sprach von den ersten "smarten Mikroprozessoren" überhaupt. Transmeta habe nicht "Silicium verwendet, um die Herausforderungen mobiler Anwendungen zu bewältigen, sondern Software".

Die Crusoes würden "lernen, ihre Performance zu verbessern und Energie zu sparen". Außerdem seien durch die Software-Orientierung Prozessor-Updates möglich.

Heuer werden zwei Transmeta-Prozessoren in einer 128-bit-Architektur auf den Markt kommen, beide sind x86-kompatibel [also mit der Pentium-Klasse]. Unter Linus Torvalds Leitung ist ein "Mobile Linux" entwickelt worden.

Der Energieverbrauch der Chips entspricht den kühnen Erwartungen: 20 Milliwatt im Stand-by-Modus und ein Watt bei voller Aktivität. Dazu kommt eine Energieverwaltung namens "LongRun", die ähnlich wie Intels "SpeedStep" die Taktfrequenz der Energiequelle anpasst.

Die Crusoes erreichen angeblich bei voller Leistung eine Betriebstemperatur von 48 Grad - Intels Pentium III kommt auf 113 Grad.

Der "TM3120" wird sofort auf den Markt gebracht, er ist für den Einsatz in Geräten wie Handys konzipiert, läuft unter "Mobile Linux" und ist mit 333 oder 400 MHz getaktet. Er ist in der 0,22-Micron-Technologie gefertigt und wird im Großhandel 65 bzw. 89 Dollar kosten. Der "PM5400" kommt Mitte des Jahres für den Einsatz in Notebooks, er läuft unter Windows und Windows NT, wird mit bis zu 700 MHz getaktet sein, in der 0,18-Micron-Technologie produziert und zwischen 119 und 329 Dollar kosten. Beide Prozessoren werden von IBM produziert.

Die Chips sind für mobile Anwendungen geradezu prädestiniert, Transmeta sieht sie in allen Geräten vom Handy bis zum Laptop. Test-Prozessoren sind angeblich schon an alle "führenden Notebook-Hersteller" gegangen.

"Mobile Linux" ist ins ROM des "TM3120" integriert und wird als Open-Source-Code weiterentwickelt.