40 Jahre ARPAnet
1969 hat das ARPAnet, der direkte Vorläufer des Internets, seinen Betrieb aufgenommen. Obwohl es 1989 offiziell deaktiviert wurde, bestimmen viele Ideen, die in diesem frühen US-Forschungsnetzwerk entwickelt wurden, noch heute unseren Alltag am Computer.
"Das ARPAnet ist das älteste Netzwerk im Internet", heißt es lapidar in John S. Quartermans klassischem Handbuch "The Matrix" aus dem Jahr 1989. "Es nahm 1969 seinen Betrieb auf. Das Internet entstand 1983, als das ARPAnet in die zwei Netzwerke ARPAnet und MILnet aufgeteilt wurde." Als Quartermans Buch erschien, war das ursprüngliche ARPAnet bereits Geschichte. Seine letzten Komponenten wurden vor 20 Jahren deaktiviert, 1983 wurde auch sein ursprüngliches Protokoll NCP ausgemustert und durch TCP/IP ersetzt.
Zum Thema (D)ARPA und ARPAnet haben Mariann Unterluggauer (Ö1-"matrix") und die US-Netzhistorikerin Ronda Hauben in ORF.at umfangreiche Recherchen publiziert.
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Kommunikator statt Rechenknecht
Als wichtigster Kopf hinter dem ARPAnet gilt der Psychologe und Informatiker Joseph Carl Robnett Licklider, der 1962 an die Spitze der Datenverarbeitungsabteilung der damals noch jungen US-Militärforschungsagentur Advanced Research Projects Agency (ARPA) berufen wurde. Licklider initiierte ein Grundlagenforschungsprogramm zur Computervernetzung, das dazu dienen sollte, die Ressourcen von Rechnern und Menschen besser und bequemer nutzen zu können. In ihrem Buch "Netizens" beschreiben die US-Netzhistoriker Ronda und Michael Hauben, wie Licklider unter dem Slogan "Intergalactic Network" als wichtigstes Ziel ausgab, Computer nicht mehr als stumpfe Rechenknechte zu betrachten, sondern sie zu vernetzen und als Mittel zur Kommunikation einzusetzen.
Auf einem ARPA-Forschungstreffen, das im Oktober 1967 in Ann Arbor, Michigan, stattfand, wurden die grundlegenden Ideen für das zu schaffende Computernetzwerk gesammelt. Die Rechner an den teilnehmenden Standorten sollten über ein spezielles Telefonnetz verbunden werden. Als "Übersetzer" zwischen den verschiedenen Geräten sollten spezialisierte Computer dienen, die Interface Message Processors (IMPs). Die ARPA beschloss, dass bis Ende 1969 vier Forschungsstätten mit IMPs ausgestattet und vernetzt werden sollten: die Informatikabteilung der University of California Los Angeles (UCLA), das Stanford Research Institute (SRI) in Menlo Park bei San Francisco, die UC Santa Barbara und die University of Utah in Salt Lake City.
Übersetzer aus Blech
Die kühlschrankgroßen IMPs waren eigentlich Kleincomputer von Honeywell, die vom Technologieunternehmen Bolt Beranek Newman (BBN) und Wissenschaftlern an den beteiligten Universitäten erst umgebaut werden mussten - ein langwieriger Prozess, der einen guten Teil des ARPAnet-Geschichtsbuchs "Where Wizards Stay Up Late" von Katie Hafner und Matthew Lyon einnimmt und an dem auch Pioniere wie Leonard Kleinrock und der spätere TCP/IP-Miterfinder Bob Kahn beteiligt waren.
Zu dieser Zeit wurde auch eine der wichtigsten Traditionen des Internets begründet, nämlich die Publikation technischer Beiträge in Form von Papieren, die "Requests for Comments" (RFCs) genannt werden. Am 7. April 1969 schrieb Steve Crocker von der UCLA den allerersten RFC über die Software der IMPs. Die Network Working Group, in deren Namen das Dokument publiziert wurde, hatte sich schon im Sommer 1968 zusammengefunden und wurde schnell zur wichtigsten informellen Institution des jungen Netzwerks.
Aristokratische Demokratie
In seiner Untersuchung zum ARPAnet schreibt Michael Hauben darüber, wie ungewohnt die Offenheit war, mit der die NWG-Mitglieder ihre Arbeit erledigten. Hauben argumentiert, dass die NWG Offenheit und demokratische Entscheidungsprozesse in die technische Gestaltung des neuen Netzwerks eingebracht habe. Hafner und Lyon bezeichneten die NWG hingegen als "eine ad hoc entstandene Aristokratie aus hochkreativen übernächtigten Computergenies". Beide Statements sind korrekt, wenn man berücksichtigt, dass die Teilnahme an einem wirksamen demokratischen Entscheidungsprozess ein gewisses Maß an eigener Aktivität und Informiertheit voraussetzt.
Anfang September wurde der erste IMP an der UCLA installiert, am 1. Oktober 1969 erhielt das SRI den seinen. Es war nun möglich, die erste Fernverbindung zwischen den beiden Rechenzentren über Telefonstandleitung und Modems herzustellen. Mit einem einfachen Terminal-Programm übertrug der Student Charles Klein die ersten Zeichen von der UCLA ans SRI. Er wollte den Befehl "LOGIN" tippen und kam gerade bis zum Buchstaben "G", als die Maschine am anderen Ende abstürzte. Ursache war ein Fehler im Terminal-Programm.
Ende der Grundlagenforschung
Beim zweiten Versuch ging alles glatt. Die Maschine in Los Angeles konnte den Rechner in Menlo Park fernsteuern. Der TCP/IP-Vorläufer des ARPAnet, das Network Control Program (NCP), das den Verkehr der Datenpakete im Netz regelte, wurde aber erst 1970 fertig. Die ARPA selbst hatte da ihre besten Zeiten schon hinter sich.
Statt Grundlagenforschung wollten die geldgebenden Militärs, denen der Vietnamkrieg zusehends Probleme bereitete, mehr unmittelbar nützliche Ergebnisse sehen. 1972 wurde sie daher in Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) umbenannt und unterstand nicht mehr unmittelbar dem US-Verteidigungsminister. Zu diesem Zeitpunkt verband das ARPAnet bereits über 20 Standorte in den Vereinigten Staaten. Die Keimzelle des Internets war fest etabliert.
(futurezone/Günter Hack)