
Echtzeit-HD-Video mit "Captain Crunch"
Für seine HD-Videoplattform Flyxo hat Apple-Mitbegründer Steve Wozniak auch Hacker der ersten Stunde engagiert. Cheftechniker John Draper [64], als "Captain Crunch" einst der Schrecken aller analogen Telefonienetze, erklärte ORF.at, wie man hochauflösendes Video in Echtzeit über das Internet bringt.
"Wir wollen keinen Hollywood-Hype anbieten, sondern kreative Hightech-Videos, Animationen, alles rund um den Begriff 'Kultur', von der es hier in Wien so viel gibt", sagte Draper, Technikchef des US-Upstarts en2go, am Montag in Wien.
Das Netculture-Lab hatte Draper eingeladen, die Medienplattform eines Unternehmens vorzustellen, in dessen Direktorium neben CTO Draper auch Apple-Mitbegründer Wozniak sitzt.
Bei Flyxo handelt es sich um eine Medienplattform samt zugehörigem Client, deren Besonderheit ist, dass High-Definition-Videos [nahezu] in Echtzeit über das Internet ausgeliefert werden können.
Die Eingeweide von Quicktime
Sechs MBit/s Bandbreite im Download seien mehr als genug, um ohne Ruckeln HD-Video zu übertragen, sagte Draper bei der Live-Demonstration im Wiener MuseumsQuartier, drei MBit/s das Mindeste.
Wie aber schafft man es, die Datenmenge von HD-Video mit dieser moderaten Bandbreite ruckelfrei an den Kunden zu bringen?
"Woz[niak] hat uns tief in den Eingeweiden von Quicktime herumwerkeln lassen", meint Draper.
Diese Möglichkeit stehe zwar an sich allen Apple-Entwicklern offen, aber angesichts der komplizierten Natur des Quicktime-Codes wüßten in der Regel nur Wenige mit einem solchen Zugang auch etwas anzufangen.
Potente Partner
Um HD-Videos in Echtzeit auszuliefern benötige man außerdem einen potenten Partner, in diesem Fall den weltweit agierenden Carrier Limelight: "Mann, haben diese Burschen Bandbreite."
Laut Angaben von Limelight sind knapp 20 der weltgrößten Internet-Exchanges mit zehn GBit/s vernetzt, jedes der dort befindlichen Datencenter könne Aufträge für "Server-Housing von zwei oder 200 Servern" jederzeit erfüllen.
Wozniak entwickelt mit der Medienplattform Flyxo und seinem Upstart-Unternehmen en2go, das gar nicht weit von Hollywood angesiedelt ist, ganz offensichtlich ein Projekt, das weniger mit Videoplattformen wie Joost und YouTube konkurriert als mit den Anbietern von Satelliten-Links.
Montag, 8. September, MuseumsQuartier Wien
Billiger als der Satellit
Draper, der im Übrigen Hollywood auch als eigenen Wohnsitz angibt, sagte danach im Interview, dass diese HD-Plattform natürlich auch anders genutzt werden könne.
So sei es mit dem Set-up aus Server - die Hardware ist logischerweise von Apple - und Client natürlich möglich, High-Definition-Videos etwa aus Korrespondentenbüros live an TV-Studios zu liefern. In heutigen Zeiten würden die laufenden Kosten für eine derartige Übertragung nur einen Bruchteil der Direktschaltung via Satellit ausmachen, sagte Draper dann im Gespräch so nebenbei.
2.600 Hertz
Bei Kosten für Kommunikation kennt sich Draper [geboren 1944] alias "Captain Crunch" seit den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts nämlich wie kein anderer aus. Sein Nom de Guerre leitet sich von einer beliebten US-Frühstücksflockenmarke namens Cap'n Crunch ab, die als Gimmick kleine Trillerpfeifen enthielt.
Von seinem kürzlich verstorbenen blinden Bekannten Joe Engressia hatte Draper damals eine wichtige Information erhalten: Eine Serie dieser Pfeifchen produzierte Töne mit einer Frequenz von 2.600 Hertz.
Verkürzt beschrieben
Ein Impuls auf 2.600 Hz - also ein Pfiff auf der Frühstücksflockenpfeife in das Mikro des Telefons - beendete zum Beispiel eine gerade aufgebaute Langstreckenverbindung via Telefon. Aber nur in der Zentrale, also "serverseitig". Der Teilnehmer am anderen Ende - nämlich "Captain Crunch" - war dann sozusagen "Root" und konnte eigene Fernverbindungen aufbauen, die kostenlos waren.
Auf den Überlandstrecken hatte AT&T in diesen steinanalogen Zeiten nämlich die Steuersignale der Einfachheit halber über denselben Kanal wie die Telefonate gelegt.
Wozniak und Jobs
Und das machten sich Engressia, Draper und andere Eingeweihte jahrelang zunutze. Während der blinde Engressia die wichtigsten Steuertöne selbst pfeifen konnte, baute Draper "Blue Boxes", analoge Tongeneratoren, die Steuerfrequenzen nach Maß lieferten.
Das gefiel den Alumni Wozniak und Steve Jobs, die in den frühen 70er Jahren mit "Captain Crunch" im Homebrew Computer Club zusammensaßen, damals ganz ausnehmend.
Wiederholungstäter
Dem Netzmonopolisten AT&T fiel das Treiben auf 2.600 Hertz erst auf, nachdem das Magazin "Esquire" darüber berichtet hatte.
Draper, der mit der Zeit immer mehr Steuersignale und damit die analogen Switches manipulieren konnte, landete vor Gericht, und das nicht nur einmal. Als Wiederholungstäter wurde er schließlich eingesperrt.
EasyWriter im Gefängnis
"Es war das ideale Arbeitsumfeld", sagt Draper heute. Am Tage sei er frei gewesen, um zu arbeiten, am Abend habe er in der Zelle seine Ruhe gehabt, um über den Code des nächsten Tages nachzudenken.
In dieser Zeit schrieb Draper mit eine paar Freunden EasyWriter, das erste Textverarbeitungsprogramm für den Macintosh II, das auch auf dem ersten IBM-PC lief.
"Kein YouTube auf Anabolika"
Von dieser Veteranentruppe sind auch noch andere beim neuen Projekt Wozniaks dabei, um Apples QuickTime für hochauflösendes Video "aufzubohren", wobei es vor allem um die Kompressionsalgorithmen geht.
"Flyxo soll aber kein neues YouTube auf Anabolika werden", sagt Draper dazu. "Videokanäle mit Hollywood-Inhalten gibt es mehr als genug." Und von der Videoplattform Joost unterscheide sich Flyxo in einem wichtigen Punkt: der Qualität.
Piratenradio
Wenn, dann sollten es neue Inhalte sein, einen Videochannel zum wichtigen Thema "Green Technology" gebe es zum Beipiel nirgendwo, obwohl das gerade jetzt in aller Munde sei.
Er persönlich hätte in Kalifornien zum Beispiel immer schon gerne deutsche TV-Kanäle angesehen, um seine Sprachkenntnisse zu pflegen, so Draper, der als Teenager Jahre auf der Ramstein Air Base nahe Kaiserslautern verbracht hatte, wo sein Vater stationiert war.
Mitte der 60er Jahre leistete Draper seinen eigenen Wehrdienst in Alaska ab. Die Ferngespräche aber waren teuer, und aus John Draper wurde "Captain Crunch", der bald auch Erfahrungen mit Broadcasting sammeln konnte. Ende der 60er Jahre betrieb er eine mobile Piratenradiostation.
Der Captain bei der Abreise am Westbahnhof
(futurezone | Erich Moechel)