Schweden berät über Abhörgesetz

kontrolle
17.06.2008

Der schwedische Militärgeheimdienst FRA soll umfangreiche Abhörbefugnisse ohne richterliche Kontrolle erhalten. Am Mittwoch entscheidet das Parlament in Stockholm über das neue Gesetz.

Das schwedische Parlament entscheidet am Mittwoch über ein neues Gesetz zur Überwachung des grenzüberschreitenden Telefon- und E-Mail-Verkehrs. Ob der Entwurf der Mitte-rechts-Regierung von Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt das Parlament passieren wird, ist allerdings unsicher.

Reinfeldts Bündnis verfügt nur über eine knappe Mehrheit von vier Mandaten, auch einige Abgeordnete aus den eigenen Reihen stehen den Plänen kritisch gegenüber. Die Gegner des Gesetzes sehen Schweden bereits auf dem Weg in den Überwachungsstaat Orwell'scher Prägung.

Alle Macht dem Geheimdienst

Der Entwurf erlaubt dem militärischen Abhördienst [Försvarets radioanstalt, FRA] die Überwachung des E-Mail-, Telefon- und SMS-Verkehrs mit dem Ausland. Die Regierung begründet die weitreichenden Überwachungsbefugnisse mit dem notwendigen Schutz vor der "Bedrohung von außen" - zum Beispiel durch terroristische oder militärische Angriffe.

Schon heute darf der FRA, der während des Kalten Krieges auf die Sowjetunion angesetzt war, den Funkverkehr abhören. Da der Großteil der Kommunikation inzwischen aber über Glasfaserkabel läuft, will die Regierung die Befugnisse nach eigenen Angaben an die technische Entwicklung anpassen.

Trend zur Selbstkontrolle

Auch in Österreich wurden den Sicherheitskräften im Rahmen der Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes [SPG] umfangreiche Befugnisse zur Feststellung von Handy-Standortdaten und IP-Adressen bei selbst definierter "Gefahr im Verzug" ohne richterliche Kontrolle eingeräumt.

Gewaltenteilung außer Kraft gesetzt

Laut dem Entwurf durchforstet der FRA den grenzüberschreitende Telefon- und Internet-Verkehr nach bestimmten Stichworten. Eine richterliche Anordnung ist nicht notwendig, stattdessen soll ein parlamentarischer Ausschuss die Maßnahmen kontrollieren. Über die Auswahl der Schlüsselbegriffe entscheidet ein unabhängiges Komitee.

Opposition, Journalisten, Rechtsanwälte, Bürgerrechtsbewegungen und selbst ein ehemaliger Chef des schwedischen Geheimdienstes SÄPO laufen gegen die Pläne Sturm. Nach ihrer Auffassung sind die Kriterien für die Überwachung zu schwammig, die Eingriffe in die persönlichen Freiheiten zu groß und die richterlichen Kontrollmöglichkeiten zu gering. Eine Abgeordnete des Regierungsbündnisses kündigte bereits an, der Abstimmung fernzubleiben. Sollte das Gesetz im Parlament beschlossen werden, soll es am 1. Jänner 2009 in Kraft treten.

Die US-Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation, die auch ein Büro in Europa unterhält, vergleicht die Situation in Schweden mit der Diskussion in den USA über die Abhörbefugnisse der NSA. In beiden Ländern drehe sich die öffentliche Diskussion hauptsächlich um die Möglichkeit, dass die Geheimdienste bei ihren Abhöraktionen auch die eigenen Staatsbürger beschnüffeln dürften, was ihnen eigentlich untersagt sei. Tatsächlich aber hätten die Abhörpläne der Geheimdienste längst eine internationale Dimension erreicht. Immer mehr unschuldige Bürger gerieten in die elektronischen Fangnetze der Dienste, so die EFF.

(APA | AFP | futurezone)