Abendmahl der Facebook-Jünger

22.03.2008

Harald Taglinger denkt über göttliche Telepräsenz und den Sinn des Lebens nach, wenn er es nicht gerade mit biometrischen Zugangskontrollen für Toilettentüren zu tun hat. Bleibt nur noch, den Papiercomputer zusammenzufalten und in sich zu gehen. Netzteile zu Ostern.

Erinnern wir uns noch einmal kurz an das Storyboard. Gott hat seinen Sohn zum Download freigestellt [Bethlehem], hat ihn ein paar Level lang den Highscore machen lassen [Bergpredigt] und dann den Support eingestellt ["Warum hast Du mich verlassen?"].

Deshalb sitzen wir jetzt bei hartgekochten Eiern und Schokoladenhasen vor unseren Tellern und hoffen, dass die Oma nicht zum Familienfrühstück kommt. Ostern ist wunderbar.

Streng genommen ist die Kirche auch der Erfinder des modernen Computer-Marketings. "Hey, das Leben 1.0 hier ist nicht toll, stimmt. Die Kirchensteuern sind auch nicht von schlechten Bischöfen. Aber mit Leben 2.0 im Himmel wird alles besser." Vermutlich ist Steve Ballmer Kirchgänger.

Gesänge der Facebook-Jüngerschaft

Wunderbar ist es, den Wert seiner eigenen Gemeinde zu kennen. Neuerdings heißen Cliquen, Seil- oder Gefolgschaften Social Networks. Das ist nicht schlecht. Denn das klingt irgendwie fair. Aber dahinter stecken Geschäftsinteressen. Facebook kann ein Lied davon singen. Vermutlich fängt dieses Lied mit "Halleluja" an und hört mit "Dollar" auf.

Den Wert des eigenen Networks kann man ebenfalls berechnen. Zum Beispiel mit einem Tool von Xing. Ich war verblüfft, als ich dann einen hoch sechsstelligen Betrag als Ergebnis bekam. Wieso arbeite ich Idiot eigentlich noch, anstatt Rupert Murdoch gleich alle meine Freunde zum Verkauf anzubieten? Ich sollte zumindest Xing eine Rechnung stellen, nicht umgekehrt.

Wenn mein Netzwerk schon so wertvoll ist, finde ich es sehr, sehr christlich von mir, die Damen und Herren in Hamburg an meinem Reichtum teilhaben zu lassen. Aber eher geht ja Steve Jobs durch ein Nadelöhr, als dass ich einmal einen Groschen im Internet verdiene. Besser machen das auf jeden Fall die Herren und Damen von Trackur. Ob sie dabei viel verdienen, das weiss ich auch nicht, aber sie bieten allen im Internet an, die eigene Online Reputation zu überprüfen. Es könnte ja ein Internet-Judas unterwegs sein. Und den gilt es ans Kreuz zu nageln. Ups, verwechselt.

Tools fürs Tele-Abendmahl

Hätten die zwölf Apostel ein Collaboration Tool besessen und nicht nur immer gemeinsam das Brot gebrochen, dann wäre ihrem Chef vielleicht auch einiges erspart geblieben. Oder die Community hätte einen besseren Plan gehabt, als sich nach der Hinrichtung bis Pfingsten zu verstecken.

Für alle, die ohne in den Klingelbeutel zu greifen ein Online-Whiteboard nutzen wollen, kann twiddla weiterhelfen. Das geht kostenlos auch mit Tools wie Skype [plus Plug-in] oder dem Windows Messenger. Aber die hat und mag nicht jeder. Letztendlich eine Glaubenssache.

Online sein sollte man aber. Wem hier der Glauben fehlt, dem hilft Downforeveryoneorjustme. Gut, man muss online sein, um den Test durchzuführen, aber dieser Teufel von Webmaster tut sich ab jetzt wirklich schwer damit, zu behaupten, die ganze Welt könne die eigene heilige Website sehen, nur man selbst hier im Haus nicht. Aber diese Todsünde würden Webmaster nie begehen. Nie.

Rechnendes Altpapier

Ich rede natürlich von alten Zeiten. Damals, als die Laptops noch einen Choke für den Kaltstart hatten. So ganz haben wir den alten Bund nicht vergessen. Nicht, solange es kleine nette Dinge wie einen PC aus Papier gibt.

Der kann im Wesentlichen das, was auch seine Brüder und Schwestern aus Metall und Silizium können. Nur etwas langsamer und in Handarbeit. Aber das macht nichts. Bekanntlich hat der liebe Gott die Welt auch nicht an einem Tag erschaffen.

Wie lange er für seinen Sohn gebraucht hat, das ist nicht verbürgt. Und weil wir gerade beim Plakativen sind: Worth 1.000 hat immer wieder wunderbare Ideen für Fakes, diesesmal: Die gute alte Werbewelt aus den 30ern und 40ern mit Produkten aus der Moderne. Ich erspare mir jetzt die Witze mit dem Motiv eines glücklichen Jesus an Ostern und dem Spruch "Brot ist ein Stück Ewigkeit".

Biometrische Klotüren für Disney

Kommen wir lieber zu sehr irdischen Reaktionen. Zum Beispiel zu denen, die ein Herbergsvater haben kann, wenn ihm das Klo verschmiert wird. Und zwar mit Farbe. Kunst hin oder her. Das, was da auf dem abgebildeten Zettel geschrieben steht, klingt nicht nett, kommt aber von Herzen.

Passiert wäre das nicht mit einem biometrischen Kontrollgerät vor der Klotüre, wie es inzwischen in allen Science-Fiction-Filmen vorkommt. Abgesehen davon dass Jesus als Terrorist hingerichtet wurde, hatten die Behörden damals noch keine Erkennungsmittel wie wir heute.

Aber dass die ausgerechnet bei Walt Disney zum Einsatz kommen, macht sie schon wieder niedlich. So niedlich wie Engel, wenn sie mit ihren Patscheflügeln im Regen zusammenkleben und unsanft landen. Aber das ist nicht verbürgt. Das streiten wir ab.

Vorletzte Fragen

Kommen wir also in diesen Tagen zu den universellen Fragen. Und wer dabei mit Religiösem nichts anfangen kann, den interessiert vielleicht die Frage: "Wie viel Wasser und wie viel Luft gibt es jetzt eigentlich auf der Welt?"

Gute Frage, wenn eh schon die eisige Hälfte davon schmilzt und alles Atembare inzwischen als schädlich gelten kann. Wer jetzt noch nicht zu beten beginnen will, dem sei mit einem Blogeintrag geholfen, der nachdenklich etwas Wesentliches wissen will. Die einfache Frage lautet: "Wer wollen wir eigentlich sein? Wir, die wir jeden Tag mehr und mehr erfinden, aber nicht wissen wozu?"

Ja, gute Frage. Wir schauen also das Kreuz an, freuen uns, dass da eine Inschrift wie INRI draufsteht, die keine Web-2.0-Abkürzung ist und fragen den Herren, der da leidet: Also im Ernst, wer sind wir? Vielleicht gibt es bis zur nächsten Woche dazu eine Antwort.

(Harald Taglinger)