Mit Sicherheit überwacht

13.01.2008

Unter dem Stichwort "Krieg gegen den Terror" dringen Geheimdienste und Strafverfolger immer tiefer in die Privatsphäre auch unbescholtener Bürger ein. Der Schutz der Bürgerrechte und demokratische Prinzipien wie die Gewaltenteilung werden von den Regierungen allzu häufig dem Sicherheitsdenken geopfert.

Das Gefühl, dass der eigene Rechner einen geschützten privaten Raum darstellt, wird wohl bald der Vergangenheit angehören.

Sicherheitspolizeigesetz, Online-Durchsuchung und Vorratsdatenspeicherung lauten die aktuellen Schlagworte. Sie stehen für immer neue Sicherheitsinitiativen und Gesetzesvorhaben, die dem Staat und seinen Behörden ständig mehr Möglichkeiten geben und schwere Eingriffe in die Privatsphäre der Bürger mit sich bringen.

Hören Sie einen Beitrag zum Thema am Sonntag, den 13. Jänner, 22:30 Uhr im Ö1-Magazin "matrix".

Vorbild Deutschland

In Österreich tagt zurzeit eine interministerielle Arbeitsgruppe, die bis Ende Februar 2008

einen Vorschlag vorlegen soll, wie das Ausspähen privater Computer durch Behörden rechtlich und technisch ermöglicht werden kann. Auch die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung muss früher oder später umgesetzt werden - wenn der Europäische Gerichtshof die Richtlinie nicht vorher kippt.

In Deutschland ist man schon weiter. Mit dem Jahreswechsel ist bei unseren nördlichen Nachbarn das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung in Kraft getreten. Und auch in Sachen Online-Überwachung liegt ein entsprechender Gesetzesentwurf vor. Dieser wurde jedoch vorerst auf Eis gelegt.

Man will das Urteil des nordrhein-westfälischen Verfassungsgerichts abwarten, das derzeit ein bereits bestehendes Landesgesetz zur Online-Überwachung überprüft. Erst nach dieser Entscheidung will die SPD dem ziemlich weitgefassten Entwurf des Bundesgesetzes zustimmen.

Parallel zu den Gesetzgebungsverfahren ist im letzten Jahr massiver Widerstand gegen Überwachung und Datensammeln im Auftrag der Behörden spürbar geworden.

Der Arbeitskreis [AK] Vorratsdatenspeicherung ist ein lockeres Bündnis aus engagierten Einzelpersonen, Verbänden und Organisationen. Der AK Vorrat koordinierte 2007 zahlreiche Aktionen, und hat dabei sehr erfolgreich mobilisiert. Im letzten Herbst sind 15.000 Menschen in Berlin für digitale Bürgerrechte und Datenschutz auf die Straße gegangen.

Verfassungsbeschwerde eingelegt

Vielen Bürgern in Deutschland geht es entschieden zu weit, wenn sensible persönliche Daten nicht nur ausgewertet, sondern extra für den Gebrauch der Behörden gespeichert werden. Anwälte und Journalisten sehen eine vertrauenswürdige Kommunikation mit Informanten und Klienten verunmöglicht. Selbst kirchliche Organisationen werden aktiv, denn auch jemand, der die Telefonseelsorge in Anspruch nimmt, muss damit rechnen, dass sein Anruf sechs Monate lang nachvollziehbar bleibt.

Der AK Vorrat hat gegen die umstrittene Novelle des Gesetzes zur Telekommunikationsüberwachung Verfassungsbeschwerde beim deutschen Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht. Man hofft auf diesem Weg auch, die zugrundeliegende EU-Direktive aushebeln zu können. Rund 30.000 Vollmachten von Bürgern liegen vor, sie alle sehen ihr Menschenrecht auf private Kommunikation gefährdet.

Bei der Online-Überwachung zählen die Experten des Chaos Computer Clubs [CCC] zu den schärfsten Kritikern. Felix von Leitner hat sich für den CCC intensiv mit dem deutschen Gesetzesentwurf zur Onlineüberwachung auseinandergesetzt.

Generation E-Mail-Ausdrucker

Ihm und seinen Clubkollegen ist es völlig unverständlich, wie ein derartiger Eingriff in die digitalen Bürgerrechte geplant werden konnte. Erklärbar sei dies nur, wenn man eine kulturelle Spaltung der Bevölkerung in Betracht zieht. Die einen verbringen bereits einen Großteil ihres Lebens in digitalen Umgebungen. Gerade politische Entscheidungsträger aber lassen sich ihre E-Mails nach wie vor ausdrucken und müssen bei der Frage, was etwa ein Browser ist, passen. Sie können daher auch nicht nachvollziehen, was das Gefühl bedeutet, dass jemand beim Skypen mit der/dem Geliebten mitschneiden oder private Tagebucheinträge lesen könnte.

Mit einem behördlichen Trojaner ließen sich nicht nur die umfangreichen Archive durchsuchen, die viele Poweruser auf ihren Rechnern angehäuft haben. Der Betroffene lässt sich etwa über einen Keylogger auch direkt bei der Arbeit zuschauen. Egal ob eine E-Mail doch wieder geändert wird, egal ob ein Chateintrag je abgesendet wurde, jede Tasteneingabe wird protokolliert. Den Betroffenen wird so buchstäblich beim Denken zugesehen.

Stille Ausweitung der Befugnisse

Für den CCC stellt die geplante Online-Überwachung daher einen noch massiveren Eingriff in die Grundrechte dar, als etwa der große Lauschangriff, die herkömmliche akustische Überwachung von Privaträumen.

Felix von Leitner hat prinzipiell Verständnis dafür, dass auch die Polizei Möglichkeiten braucht, in der digitalen Sphäre zu agieren. Doch er hat beobachtet, dass bis jetzt jede Überwachungsmaßnahme entgegen anfänglichen Beteuerungen im Laufe der Zeit immer breiter eingesetzt wurde.

Technisch macht es wenig Unterschied, ob zehn oder Hunderttausende überwacht werden. Und so wurde etwa die Telefonüberwachung, mit anfänglich zwanzig Einsätzen pro Jahr zur Standard-Ermittlungsmaßnahme mit jährlich Zehntausenden Fällen. Um das zu verhindern, wird wohl auch hier der erste Weg der CCC-Aktivisten zum deutschen Bundesverfassungsgericht führen, sobald das Gesetz in Kraft getreten ist.

(matrix | Thomas Thaler)