MS-Datenbank des eigenen Lebens
US-Wissenschaftler arbeiten derzeit an einer Multimedia-Datenbank, die jegliche Erinnerung und Erfahrung, die ein Mensch in seinem Leben je gemacht hat, archivieren und auch wieder abrufbar machen soll.
Die Software ist Teil des Projekts "MyLifeBits" von Ingenieuren der Microsoft Media Presence Labs in San Francisco.
"Stellen Sie sich vor, es wäre möglich, eine Google-ähnliche Suche seines eigenen Lebens zu starten", erklärt Gordon Bell, einer der Entwickler.
Das "Schuhkartonproblem"
Bell und seine Kollegen entwickelten MyLifeBits als eine Art "Ersatzgehirn", um das zu lösen, was sie als das "Schuhschachtelproblem" bezeichnen. "Schon in einem großen Schuhkarton voll mit Fotos ist es wirklich schwer, das zu finden, was man gerade sucht", sagt Jim Gemmell von MS. "Zählt man noch alle Heimvideos, Briefe und andere Dokumente dazu, wird das gezielte Finden zur unlösbaren Aufgabe."

Das Leben genau protokolliert
Bell hat bereits alles, was er nur archivieren könnte, in seiner MyLifeBits-Datenbank protokolliert.
Neben offiziellen Dokumenten wie seinem Reisepass umfasst dies alles von Briefen über Fotos und privaten Videos bis zu Arbeitsunterlagen. Auch seine E-Mails werden so wie alles, was er online liest oder kauft, automatisch in die Datenbank aufgenommen. Sogar Telefongespräche und Meetings zeichnet Bell auf, um sie als Audiodateien im System zu speichern.
Natürlich braucht das System enorm viel Speicherplatz. Doch nach den Berechnungen des MS-Teams kostet eine 1.000-GB-Festplatte in fünf Jahren weniger als 300 USD. Dieser Speicherplatz sollte ausreichen, ein ganzes Jahr bis zu vier Stunden Video täglich zu speichern.
Jede Datei in der MyLifeBits-Datenbank kann mit einem geschriebenen oder gesprochenen Kommentar versehen und mit anderen Files verknüpft werden. Die gesprochenen Verweise werden zusätzlich als Text gespeichert, um die Sprache durchsuchbar zu machen.
Um eine Zeitspanne aus der Vergangenheit abzurufen, muss Bell nur das gewünschten Datum eintippen. MyLifeBits wirft dann alles, was in diesem Zeitraum geschah, aus. Oder man sucht zum Beispiel nach dem Namen eines Freundes, und sofort werden alle Aufzeichnungen, die mit diesem zu tun haben, in chronologischer Reihenfolge ausgespuckt.
Menschen erinnern sich meist verfälscht an Erlebtes
Doch wozu das Ganze? Microsoft argumentiert damit, dass unsere Erinnerungen uns meist täuschen: Man baut das subjektiv Erlebte in der Erinnerung meist noch etwas aus, kann Ereignisse zeitlich nicht mehr richtig zuordnen oder vergisst sie einfach. Für MS höchste Zeit, so unzuverlässige Interpretationen der Vergangenheit angehören zu lassen und stattdessen einen gewissenhaften und zuverlässigen Speicher am PC aufzubauen.

Begegnung mit seinen Vorfahren
Obwohl MyLifeBits im Wesentlichen nur eine große Datenbank ist, könnte es doch langsam zum Aufbewahrungsort von Erfahrungen werden. Sind erst einmal alle mit Mobiltelefonen mit Kameras ausgestattet, käme noch weit mehr alltägliches Material dazu.
"Die Nutzer werden in der Lage sein, alles aufzubewahren, was sie jemals gelesen, gehört oder gesehen haben", sagt Gemmell. Vor allem für Leute mit Gedächtnisstörungen soll das System als Ersatzgedächtnis so fungieren, wie es Fotoalben und Tagebücher nicht können.
In weiterer Zukunft soll das System auch dazu dienen, seine Erfahrungen lebensnah an die Nachwelt weiterzugeben. Doug de Groot, Entwickler von Avataren an der Universität Leiden in den Niederlanden, sieht in Bells System eine Grundlage für "Begegnungen mit seinen Vorfahren".
Menschen sollen später mit einem eigenen Programm ihre Ahnen nach ihrem Leben befragen können.
Idee stammt aus 1945
Der wissenschaftliche Berater Präsident Roosewelts, Vannevar Bush, veröffentlichte schon 1945 in seinem Artikel "As We May Think" seine Visionen über einen Einsatz von Computern für ein wissenschaftliches Informationssystem "Memex": Memex sollte ein Abfragesystem mit assoziativem Zugriff auf Texte, Fotos, Zeichnungen und persönliche Notizen sein.
