Napster: Der Exodus beginnt
Der Exodus der Napster-Fans hat bereits begonnen. Dass sich die bislang kostenlose Internet-Musiktauschbörse mit dem Bertelsmann-Konzern verbündete, hat viele Nutzer vor den Kopf gestoßen.
Von "Betrug" und "Lüge" ist in den Chat-Foren der Napster-Site am Tag nach der Ankündigung die Rede, das Gratis-Angebot solle zur kostenpflichtigen Website werden.
Napster habe "die Seite gewechselt" und sei vom "Big Business geschluckt" worden, werfen die bisherigen Nutzer dem Management vor und drohen mit Abwanderung. Die Musikindustrie, die einen Musterprozess gegen Napster angestrengt hat, sieht die Allianz mit Bertelsmann als Etappensieg.
Die Entrüstung der Napster-Fans
ist verständlich. Die Tauschbörse bot ein nahezu perfektes und
dazu kostenloses System zum Auffinden und Herunterladen von
Musiktiteln aus dem Internet. Dabei speichert Napster auf seinen
Servern selbst keine Titel, sondern verwaltet lediglich eine
Datenbank, die auf Musikstücke auf den Festplatten der
Napster-Nutzer verweist. Mit jedem zusätzlichen Napster-Fan wächst
die Zahl der verfügbaren Titel. Bei zuletzt 37 Millionen Nutzern ist
bei Napster damit quasi alles zu finden. Allein im September wurden
1,4 Milliarden Musiktitel über Napster getauscht.

Times-Warner: "Schritt in die richtige Richtung"
Die US-Musikindustrie will auch nach dem Einstieg des deutschen Medienkonzerns Bertelsmann an dem Prozess gegen die bislang kostenlose Internet-Musiktauschbörse Napster festhalten.
Wie der Verband der Plattenverlage RIAA in New York erklärte, begrüße er zwar die Allianz, werde die laufende Klage gegen Napster wegen Verletzung von Urheberrechten aber nicht zurückziehen.
"Der jüngste Schritt von Bertelsmann und Napster scheint ein Schritt in die richtige Richtung zu sein", so die Reaktion von Times-Warner in einer Aussendung. "Er zeigt, dass die Industrie mit Riesenschritten an die Verwirklichung eines Abonnement-Modells geht."
Bertelsmann und Napster hatten gestern überraschend
eine Allianz bekannt gegeben, durch die aus der bislang kostenlosen Tauschbörse ein kostenpflichtiges Angebot zum Musikvertrieb über das weltweite Datennetz werden soll.
Napster war von der US-Musikindustrie verklagt worden, weil über die Website des Unternehmens mit einer speziellen Software kostenlos Musikstücke im digitalen MP3-Format im Internet aufgespürt und gratis heruntergeladen werden können. Dadurch sehen die Plattenlabels und Künstlerverbände ihre Rechte verletzt.

US-Plattenindustrie läßt Klage nicht fallen
"Wir begrüßen die Entscheidung, ein legaler Akteur der Online-Musikindustrie zu werden", erklärte RIAA-Präsidentin Hilary Rosen am Dienstag.
Der angekündigte Rückzug der Bertelsmann-Musik-Tochter BMG aus dem Kreis der Kläger werde das laufende Verfahren gegen Napster aber nicht zu Fall bringen.
"Es ist wichtig, dass die Grundregeln für Internet-Musik ein für alle Mal festgelegt werden", betonte Rosen. Ähnlich äußerte sich auch die Plattenfirma Universal.
Es sei positiv, dass Napster nun offenbar auf dem Weg sei, die Urheberrechte von Autoren und Labels anzuerkennen. Das Angebot in seiner jetzigen Form verletze aber weiter deren Rechte.
Bertelsmann stellt Napster im Zuge
der Allianz einen Kredit zur Verfügung, um das neue
Geschäftsmodell zu verwirklichen, und will Napster-Technologie als
einen Branchenstandard beim Vertrieb von Internet-Musik etablieren.
Die Partner hatten deshalb die Industrie aufgefordert, sich an dem
neuen Geschäftsmodell zu beteiligen.

Zweifel zur Zukunft von Napster
Experten bezweifeln unterdessen, dass es möglich sein wird, den kostenlosen Napster-Service in ein kommerzielles Unternehmen umzuwandeln, ohne erhebliche Teile der 38 Millionen Nutzer zu verlieren.
"Wie soll das Napster-Programm Copyright-sicher gemacht werden", fragt der Computerexperte und Napster-User Ron van Zuylen. "Eine Peer-To-Peer-Umgebung ist definitiv grundsätzlich nicht sicher. Ich glaube nicht, dass dieser Plan funktionieren wird."
Aram Sinnreich von Jupiter Research hingegen meint: "Es ist keine Frage, dass es einen Markt für einen kostenpflichtigen Musiktauschservice wie Napster gibt."