UMTS wird zum "Glücksspiel" für Telekoms
Kaum ein Jahr vor dem Start von UMTS in Europa breitet sich in den Reihen der Netzwerkbetreiber und ihrer Geldgeber und Zulieferer die Unsicherheit aus. Niemand weiß, auf was sich die Telekoms in Europa mit dem Unternehmen UMTS eingelassen haben.
Der englische "Economist" beispielsweise widmet dem Thema in seiner neuen Ausgabe die
Titelgeschichte und den Hauptkommentar, in der UMTS als "the biggest gamble in business history" bezeichnet wird.

Die Verunsicherung in den Reihen der europäischen Telekoms war auch in Barcelona spürbar, wo vom 11. bis 13. Oktober die Konferenz "UMTS 2000 - The next generation of mobile" stattfand, bei der hochrangige Vertreter der Telekom-Branche aus 48 Ländern zu einem intensiven Gedankenaustausch über UMTS zusammentrafen.
Mariann Unterluggauer hat die Konferenz besucht und berichtet exklusiv für die FuZo aus Barcelona:
"UMTS 2000", Barcelona 11. bis 13. Oktober
Nach drei Tagen Vortragsmarathon, weiss man eigentlich nicht vielmehr als früher, ausser man gibt sich mit der Feststellung zufrieden, dass das
Abenteuer kompliziert und für alle teuer wird.
Bei der Einführung von GSM verlangte der Staat keinen Schilling für die Frequenzen, bei UMTS zahlt man "selbst für frische Luft", beschwert sich Peter Cochrane, von der British Telecom im Vorfeld der Veranstaltung.
Daneben gibt es eine große Zahl an Patentlizenzen zu bezahlen. Wobei in vielen Fällen die Telcos scheinbar noch mit sich hadern, welche der Patente wirklich eine Investition in die Zukunft darstellen, und welche Morgen schon veraltert sein könnten. Obwohl manche Frequenzerwerber unter Zeitdruck stehen, geben sie sich derzeit wenig entscheidungsfreudig.
"Netzwerkinfrastruktur, aber ohne Costumer"
In Spanien haben die Lizenzinhaber unterschrieben, dass sie in
der Lage sind, bereits am 1. August 2001 UMTS anzubieten. Ein
Vertreter von Telefonica meinte dazu in einem Plenum nur mehr
lapidar: "Es wird vielleicht die Netzwerkinfrastruktur geben, aber
ohne Costumer". Gab es vor kurzem noch Vorwürfe, dass durch den
"beauty contest" in Spanien die Telefonica zu billig zu einer Lizenz
gekommen ist, so beneidete auf der Konferenz kaum jemand mehr die
spanischen Verhältnisse. Allerdings nicht nur die Telefonica,
sondern alle spanischen Lizenzeninhaber kämpfen derzeit mit dem
Dilemma, dass von allen in 10 Monaten benötigten Komponenten derzeit
nur Prototypen existieren. Es gibt noch keine Antennen, keine
Base-Stations, keine Endgeräte und keine Applikationen. Von den
sogenannten "Killer Applikationen" sprach auf der Konferenz soundso
niemand mehr. Und die benötigten Chips - soweit sie überhaupt
existieren - werden derzeit noch eher unter Preisen gehandelt, die
eher mit Liebhaberpreisen vergleichbar wären und nichts mit einem
Massenmarkt zu tun haben. Es gibt zwar von allen Seiten die
Beteuerung: "Wir könnten produzieren", aber jeder wartet auf den
Auftrag.

Zulieferer müssen zahlen
Dabei wird es auch für die Zulieferer immer wichtiger, einzuschätzen, welche Operator in zwei Jahren eigentlich noch auf den Markt sein werden und die Finanzierung der Infrastruktur bezahlen können.
Zum Aufbau der Netzwerke fordern manche der Lizenzeninhaber jetzt schon eine 150prozentige
Vorfinanzierung von den Zulieferern, sagt Alastair Macdonald, vom Telecommunications Finance Team, Dresdner Kleinwort Benson.
Kreditwürdigkeit der Unternehmen gefährdet
Dabei ist das noch die untere Grenze. Forderungen von 275 Prozent Vorfinanzierung seien auch schon vorgekommen. Die Operator müssen ihre Kassen wieder auffüllen, denn nach dem Netzwerk folgen die Investitionen für Applikationen und Content. Und kaum jemand kann derzeit noch bei den Banken Kredit aufnehmen ohne das die Kreditwürdigkeit des Unternehmens gefährdet sei, meint Mcdonald.
Bitte warten ...
Von den Regierungen, denen man in Vertägen unterschrieben hat, dass UMTS bereits nächstes Jahr auf dem Markt sein wird, erwarten die
Telekommunikationsunternehmer Geduld und Nachsicht.
Das jemand zur Kassa gebeten wird, weil ein Datum nicht eingehalten wurde, möchte sich in Barcelona niemand vorstellen. Auch von den Usern erwartet man sich Geduld.
Derzeit funktionieren noch nicht einmal die Zwischenlösungen. Es gibt noch immer Probleme mit den sogenannten WAP-Handies, als auch mit GPRS. In der Zwischenzeit tauchte auch noch eine neue Zwischenvariante auf: EDGE.
Enhanced Data Rates for Global Evolution
EDGE wird als Alternative für all jene Provider gehandelt, die
keine UMTS-Lizenz erworben haben. EDGE funktioniert über die bereits
bestehenden GSM- und TDMA-Frequenzen und soll eine höhere
Übertragungsrate zulassen als GPRS [General Packet Radio Service].
Nachdem mittlerweile soundso jeder überzeugt ist, dass 2Mbit/s
Übertragungsrate mit UMTS bei der Einführung nicht erreicht werden
kann, setzen einige auf EDGE. Versprochen werden bei diesem,
mittlerweile registrierten Standard, Übertragungsraten von 384kbit/s
bis hin zu 554kbit/s. Dividiert durch die User, die von einer Zelle
versorgt werden und in Anbetracht der Bandbreite die
Multimedia-Anwendungen trotz Komprimierung noch immer benötigen,
dürfte EDGE trotzdem nur ein halbes Vergnügen sein. Damit EDGE
möglich wird, muss auf jeden Fall erst einmal GPRS funktionieren und
realisiert werden.

Bitte zahlen ...
Vorträge, in denen über Fragen wie Adressierung und Nummerierung, Intellectual Property Rights diskutiert wurde, waren auf der Konferenz in Barcelona am wenigsten beliebt und wurden kaum wahrgenommen.
Überfüllt waren die Vortragssäle dann, wenn es darum ging, wie man mit der dritten Generation drahtloser Kommunikation Geld verdienen kann.
Neue Billing Systeme werden Angeboten, mit denen User bis hin zu jeder gesendeten E-Mail zur Kassa gebeten werden könnten.
UMTS vs. Internet Community
Welches Modell wirklich zur Anwendung kommt: Prepaid, per
übertragener Datenmenge, per Dienst, darüber halten sich derzeit
noch alle bedeckt. Vielmehr entsteht der Eindruck, dass auch hier
die Betreiber all das versuchen wollen, was im Internet nicht
funktioniert hat. Überhaupt scheint die Internet Community unter den
zukünftigen Betreibern von UMTS nicht sehr beliebt zu sein. Deren
Einstellung, dass Services auch gratis angeboten werden, hat nach
den Apologeten von 3G in der wireless community nichts verloren.
