30.07.2000

QUIS CUSTODIET

Bildquelle: fuzo

EU und UK wollen Internet-Kriminalität bekämpfen

Die Innen- und Justizminister der Europäischen Union [EU] wollen gemeinsam gegen Internet-Kriminalität vorgehen.

Die Justizbehörden der 15 EU-Staaten sollten beim Kampf gegen Computer-Hacker, Betrug im Internet und Kinderpornographie künftig Zugriff auf das World Wide Web haben, teilten die Minister gestern Abend nach einem informellen Treffen in Marseille mit.

So solle der Polizei per Gesetz das Recht eingeräumt werden, in anderen Staaten Computerdaten zu beschlagnahmen. Außerdem sollten die Lücken in der nationalen Gesetzgebung zu Betrug und Hacker-Angriffen auf Websites sowie Computer geschlossen werden.

Die EU-Minister wollen auch sicherstellen, dass die Polizei über die jeweils neueste Internet-Technologie verfüge.

Gegen Hacker, Kinderporno, Drogen, Rassismus

Die Europäische Kommission schlug bei dem Treffen eine Reihe gemeinsamer Gesetze für die EU-Staaten vor.

Zudem werde die Kommission den Mitgliedstaaten noch in diesem Jahr Gesetze zum Kampf gegen Kinderpornographie im Internet vorschlagen. Anschließend sollten Schritte gegen Drogenhandel, Rassismus und Hacker-Angriffe im Web erörtert werden.

Unter Hinweis auf die hohen Kosten hatten mehrere Internet-Firmen jüngst Vorschläge aus einzelnen EU-Staaten zurückgewiesen. Danach sollten Firmen drei Monate lang alle Daten speichern, die über ihre Rechner ins Internet versendet werden.

UK-Überwachungsgesetz passierte Parlament

Zur Bekämpfung des "organisierten Verbrechens" darf der britische Geheimdienst MI-5 künftig von Internet-Anbietern Zugang zu E-Mails und verschlüsselten Informationen verlangen.

In Abstimmungen im Ober- und Unterhaus nahm die "RIP Bill" [Regulation of Investigatory Powers], das Gesetz zur "Regulierung der Ermittlungsvollmachten", Ende dieser Woche die letzten parlamentarischen Hürden.

Die Abgeordneten nahmen ohne Abstimmung auch einige Gesetzesänderungen an, die das Oberhaus vorgeschlagen hatte und die einigen Bedenken von Datenschützern und der Industrie Rechnung tragen. Nach der königlichen Unterschrift wird es im Oktober in Kraft treten.

Massive Kritik an Überwachungsgesetz

Gegner des Gesetzes wie der Labour-Abgeordnete Harry Cohen sagten, es sei nicht hinreichend gewährleistet, dass die so gewonnenen Informationen nicht an andere Behörden weitergegeben würden. Der Schutz der Privatsphäre und von Geschäftsgeheimnissen komme zu kurz.

Die Regierung lobte ihre Initiative dagegen als Bollwerk gegen das organisierte Verbrechen, technologisch versierte Straftäter und

"Cyber Crime".

Britische Provider wollen abwandern

Wie die englische Wochenzeitung "Observer" in ihrer heute erschienen Ausgabe berichtet, überlegen mehrere britische Provider als Reaktion auf die "RIP Bill" eine Abwanderung ins Ausland.

Claranet, der größte unabhängige Provider Großbritanniens, hat angekündigt, große Teile seiner Telekommunikations-Infrastruktur ins Ausland zu verlegen. Steve Rawlinson, der System Manager von Claranet, sagte dem "Observer", eine kleine, aber bedeutende Anzahl der Claranet-Kunden aus der Wirtschaft, darunter große Banken, würde durch das neue Überwachungsgesetz die Sicherheit der internen und externen Firmenkommunikation bedroht sehen.