EU und UK wollen Internet-Kriminalität bekämpfen
Die Innen- und Justizminister der Europäischen Union [EU] wollen gemeinsam gegen Internet-Kriminalität vorgehen.
Die Justizbehörden der 15 EU-Staaten sollten beim Kampf gegen Computer-Hacker, Betrug im Internet und Kinderpornographie künftig Zugriff auf das World Wide Web haben, teilten die Minister gestern Abend nach einem informellen Treffen in Marseille mit.
So solle der Polizei per Gesetz das Recht eingeräumt werden, in anderen Staaten Computerdaten zu beschlagnahmen. Außerdem sollten die Lücken in der nationalen Gesetzgebung zu Betrug und Hacker-Angriffen auf Websites sowie Computer geschlossen werden.
Die EU-Minister wollen auch sicherstellen, dass die Polizei über die jeweils neueste Internet-Technologie verfüge.
"Spannungsverhältnis zwischen Sicherheit und Schutz der
Privatsphäre"
Der deutsche Innenminister Otto Schily [SPD] regte nach Angaben
seines Ministeriums die Errichtung eines europäischen "Amtes für die
Sicherheit in der Informationstechnik" an. Dieses solle nach dem
Vorbild des gleichnamigen deutschen Bundesamtes aufgebaut werden.
"Im Internet selber haben wir keine Möglichkeiten", sagte Schily.
Kontrolliert werden könnten nur "Schnittstellen", an denen Daten in
das Internet gegeben oder herausgeholt werden - beispielsweise am
Computer. Schily fügte hinzu: "Man soll auch nicht unterschlagen,
dass es ein Spannungsverhältnis gibt zwischen Sicherheitsbelangen
einerseits und dem Schutz der Privatsphäre andererseits."
Frankreichs Innenminister Jean-Pierre Chevenement hob die
missbräuchliche Verwendung von Kreditkarten und Kreditkartennummern
im elektronischen Geschäftsverkehr hervor.

Gegen Hacker, Kinderporno, Drogen, Rassismus
Die Europäische Kommission schlug bei dem Treffen eine Reihe gemeinsamer Gesetze für die EU-Staaten vor.
Zudem werde die Kommission den Mitgliedstaaten noch in diesem Jahr Gesetze zum Kampf gegen Kinderpornographie im Internet vorschlagen. Anschließend sollten Schritte gegen Drogenhandel, Rassismus und Hacker-Angriffe im Web erörtert werden.
Unter Hinweis auf die hohen Kosten hatten mehrere Internet-Firmen jüngst Vorschläge aus einzelnen EU-Staaten zurückgewiesen. Danach sollten Firmen drei Monate lang alle Daten speichern, die über ihre Rechner ins Internet versendet werden.
Bereits Ende März hatte eine Sitzung des Rats der Innen- und Justizminister in Brüssel für Aufregung gesorgt, bei der ein weireiechendes europäischen Abkommens über Rechtshilfe unterzeichnet wurde.

UK-Überwachungsgesetz passierte Parlament
Zur Bekämpfung des "organisierten Verbrechens" darf der britische Geheimdienst MI-5 künftig von Internet-Anbietern Zugang zu E-Mails und verschlüsselten Informationen verlangen.
In Abstimmungen im Ober- und Unterhaus nahm die "RIP Bill" [Regulation of Investigatory Powers], das Gesetz zur "Regulierung der Ermittlungsvollmachten", Ende dieser Woche die letzten parlamentarischen Hürden.
Die Abgeordneten nahmen ohne Abstimmung auch einige Gesetzesänderungen an, die das Oberhaus vorgeschlagen hatte und die einigen Bedenken von Datenschützern und der Industrie Rechnung tragen. Nach der königlichen Unterschrift wird es im Oktober in Kraft treten.
Das sieht die "RIP Bill" vor
Wenn das Gesetz im Oktober in Kraft tritt, wird auch ein
Überwachungszentrum seine Arbeit aufnehmen, das beim britischen
Geheimdienst MI-5 angesiedelt ist. Internet-Zugangsanbieter sind
dann verpflichtet, sichere Leitungen zu der Abteilung mit der
Bezeichnung Technisches Beistandszentrum der Regierung einzurichten.
Der Staatsminister im Innenministerium Charles Clarke sagte, die
Behörden seien bei der Aufklärung von Verbrechen nur auf den Text
von E-Mails, nicht aber ihre Verschlüsselungstechnik, aus. Etwa
Logbücher von Surfprogrammen dürften nur mit einem richterlichen
Beschluss eingesehen werden. Clarke betonte auch, dass die Regierung
für das Aufstellen so genannter Black Boxen 20 Millionen Pfund [32,3
Mill. Euro] zur Verfügung stellen werde. "Wir sind der Ansicht, dass
die Sorgen unbegründet sind, das Gesetz werde bestimmte Firmen in
eine Finanzkrise stürzen", sagte er.

Massive Kritik an Überwachungsgesetz
Gegner des Gesetzes wie der Labour-Abgeordnete Harry Cohen sagten, es sei nicht hinreichend gewährleistet, dass die so gewonnenen Informationen nicht an andere Behörden weitergegeben würden. Der Schutz der Privatsphäre und von Geschäftsgeheimnissen komme zu kurz.
Die Regierung lobte ihre Initiative dagegen als Bollwerk gegen das organisierte Verbrechen, technologisch versierte Straftäter und
"Cyber Crime".
Technische überholt und leicht zu umgehen
Die Sicherheitsexperten Brian Gladman und Ian Brown erklärten
laut BBC News Online in einem Bericht an die Stiftung für
Informationspolitik [FIPR], für Interessierte sei es leicht, der
Aufmerksamkeit der Behörden zu entgehen. Die technischen
Einrichtungen der Behörde könnten leicht umgangen werden, erklärte
Gladman, ein früherer Direktor des technischen Zentrums der NATO.
Das Gesetz sei in dieser Hinsicht völlig unzulänglich. Die
Fahndungsmethoden könnten keinen Kriminellen stoppen, sondern
"untergraben die Privatsphäre, den Schutz und die Sicherheit der
ehrlichen Bürger und der Wirtschaft", hieß es in dem Bericht, der
auf der FIPR-Website

Britische Provider wollen abwandern
Wie die englische Wochenzeitung "Observer" in ihrer heute erschienen Ausgabe berichtet, überlegen mehrere britische Provider als Reaktion auf die "RIP Bill" eine Abwanderung ins Ausland.
Claranet, der größte unabhängige Provider Großbritanniens, hat angekündigt, große Teile seiner Telekommunikations-Infrastruktur ins Ausland zu verlegen. Steve Rawlinson, der System Manager von Claranet, sagte dem "Observer", eine kleine, aber bedeutende Anzahl der Claranet-Kunden aus der Wirtschaft, darunter große Banken, würde durch das neue Überwachungsgesetz die Sicherheit der internen und externen Firmenkommunikation bedroht sehen.
Laut "Observer" überlegen auch Provider wie UUnet, Poptel, GreenNet und Demon Internet eine Abwanderung aus Großbritannien.
