Web schadet Plattenindustrie nicht
Seit Jahren befindet sich die Musikindustrie im Online-Jammertal, in zahlreichen Studien hat die Branche die Internet-Tauschbörsen als Grund für ihre Umsatzeinbrüche ausgemacht.
Am 13. Juni erscheint nun erstmals ein Report, der nicht nur die kaufmännischen Interessen der Lobby-starken Musikindustrie wiedergibt, sondern sich gesamtwirtschaftlich mit der Tauschbörsen-Thematik auseinander setzt, berichtet "The Economist".
Denn auch Telekom-Provider und Computerhersteller müssen in die ökonomische Analyse einbezogen werden.
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung [OECD] kommt darin zu der Erkenntnis, dass der viel zitierte Zusammenhang zwischen dem Rückgang der Musikverkäufe und dem Anstieg der Tauschbörsen-Nutzung nicht nachvollziehbar, weil nicht nachweisbar ist.
So könnten auch ganz andere Gründe wie die Qualität des Angebots und schlicht die zunehmende Konkurrenz anderer Formen der Unterhaltung für den Umsatz-"Blues" der Musikindustrie verantwortlich sein.
Einige Märkte legen auch zu
Zudem merkte die OECD an, dass nicht alle Musikmärkte vom
Rückgang betroffen seien. In Großbritannien hätten die CD-Verkäufe
von 1998 bis 2003 etwa um 31 Prozent zugelegt.

Verändertes Kaufverhalten
Die so genannte Peer-to-peer-Software sei eine neue und innovative Technologie, die bedauerlicherweise auch für das unerlaubte Kopieren von Musik genutzt werde, urteilt OECD-Wirtschaftsexperte Sacha Wunsch-Vincent vom Ausschuss für Information, Computer und Kommunikationspolitik.
Selbst die Plattenlabels würden die Tauschbörsen-Netzwerke zum Aufspüren neuer Musiktrends beziehungsweise zur legalen Verbreitung von Songs nutzen.
Sorgen über ein sinkendes Einkommen sind laut Wunsch-Vincent einzig bei den Künstlern begründet. Diese erhalten jeweils ein Zehntel des Verkaufspreises - bei Downloads wie auch bei CDs.
Da immer mehr Kunden online meist nur einzelne Songs statt ganzer Alben erwerben, verdienen die Künstler auch weniger.
Mehr Geld für die Künstler
Die OECD legt daher nahe, Künstlern im Online-Verkauf einen
größeren Anteil zu vergelten, da sich die Plattenlabels auf diesem
Vertriebsweg sowieso die Kosten für Produktion und Verteilung
sparen.

Auch Filmindustrie im Visier
In Bezug auf Urheberrechtsverletzungen rät der Bericht zum Einsatz von Digital-Rights-Management-Systemen [DRM], mit denen sich das Kopieren komplett unterbinden beziehungsweise auf eine gewisse Anzahl an Exemplaren einschränken lässt.
Gleichzeitig warnt die Wirtschaftsorganisation jedoch davor, dass derlei technische Barrieren das teilweise erlaubte Kopieren, etwa das rechtmäßige Exzerpieren kurzer Teile, ebenfalls unmöglich macht.
Auch müsse die Kompatibilität der einzelnen Systeme untereinander sichergestellt sein, um die Abspielbarkeit zu garantieren.
Der vollständige Bericht erscheint am 13. Juni, als nächstes will sich die OECD den digitalen Perspektiven der Filmindustrie widmen - die ihrerseits ebenfalls mit einer bereits in Auftrag gegebenen Wirtschaftsstudie kontern will.
