Software-Patente wieder auf dem Tisch
Anfang Juli kommt die umstrittene EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen in zweiter Lesung in das EU-Parlament. Einen Vorgeschmack auf die dort zu erwartenden Auseinandersetzungen gab eine Diskussion Dienstagabend im Wiener MuseumsQuartier.
Johnnes Werner vom österreichischen Patentamt, der an dem von allen politischen Seiten vehement bekämpften Richtlinien-Entwurf des EU-Rats maßgeblich mitgewirkt hatte, gab erst einen Überblick aus seiner Sicht.
Wie es nämlich zur augenblicklichen, verfahrenen Lage in der EU rund um den Richtlinienentwurf gekommen ist, der von Programmierern sowie den europäischen Software-KMUs erbittert bekämpft wird. Diese fürchten um ihre Existenzgrundlage, da Patente auf Software letztlich auf ein Arbeitsverbot hinauslaufen könnten.
"Das war niemand in der EU vorher bewusst, dass man sich einer öffentlichen Diskussion stellen müsse", sagte Werner, der sich einigen Punkten auch kritisch zu den Formulierungen im bestehenden Entwurf äußerte. Im Wesentlichen wies er jedoch auf ohnehin vorhandene Einschränkungen auf Patentierbarkeit von Software in der Richtlinie hin.
Überdies habe man ohnehin im "Europäischen Patentamt die Bremse gezogen", nun würden weit weniger, aber besser geprüfte Patente mit IT-Bezug als vor zwei Jahren erteilt.
Skeptisches Publikum
"Solange sich keiner der Großanmelder von Patenten über diese
neue Praxis beschwert, glaube ich das nicht", hieß es aus dem
Publikum. Schwammigkeit, Begünstigung einer Konzerndikatur weniger
Oligopole, wurde aus dem Publikum geantwortet, das sich nach elf
Stunden der Veranstaltung erstaunlich frisch und gut gelaunt zeigte.

Auf dem Podium [von links nach rechts]
Rechtsanwalt Peter Burgstaller, Thomas Warwaris [Förderverein für eine freie Informations-Infrastruktur [FFFII]], Moderator Dietmar Boigner, Johannes Werner vom Patenamt, Georg Jakob [Verein zur Förderung freier Software]
Schlagabtausch
Eine Unzahl von Wortmeldungen aus dem Publikum ad hoc zwang den leitenden Patentbeamten immer wieder zu direkten Repliken.
"Sehr nett, sehr menschlich und genauso falsch" fand Thomas Warwaris [FFII] die Schilderung Werners und warf ihm den Willen zur Anpassung an die amerikanischen Patentverhältnisse vor.
"Sie stimmen suizidal für ihre eigene Sache", gab Werner zurück und hielt den Gegnern vor, dass sie mit ihrem Einspruch gegen das berühmt gewordene Patent von Amazon auf One-Click-Shopping dessen Nichtigkeitserklärung durch das EPA verhindert hätten. Im Übrigen führe er den erwähnten Fall selbst gern als Bespiel für "eingerissene Unsitten" aus, die aufzeigt worden seien - das sei das Verdienst der Kritiker, sagte Werner.
In Österreich werde das momentan in der Novellieringsphase befindliche Patentgesetz eine verpflichtende Veröffentlichung bereits bei Einreichung des Patents enthalten.
Restrisiko für Programmierer
Allerdings räumte Werner ein, dass für die Programmierer "ein
Restrisiko bleibt", was mögliche Einschränkungen ihrer Arbeit
betreffe. Das Resultat waren ein halbes Dutzend weiterer Anfragen
aus dem Publikum.

Österreichische Lösung
Dieser Diskussionsverlauf hatte zur Folge, dass einer der profiliertesten Kritiker, Georg Jakob vom Verein zur Förderung Freier Software [FFS], auf dem Podium erst nach zwei Stunden Diskussion zu Wort kam.
Jakob trug u. a. aus einer Patentschrift für eine mechanische Teigrührmaschine vor, in der auch "die Methode, um Mehl, Wasser und andere Ingredienzen mit Wasser zu vermischen" - ganz allgemein das bloße Umrühren von Teig -, mitpatentiert würde.
Dann wurden einzelne, besonders umstrittene Punkte des Richtlinienentwurfs direkt diskutiert, wobei der ungemein eloquent und oft ebenso ironisch wie seine Gegner agierende Patentexperte an einigen Punkten signalisierte, dass er hier Änderungspotenzial sehe.
Am Ende der fast dreistündigen, heftig, aber stets fair geführten Diskussion zeigten die Standpunkte doch etwas Veränderung. Es lag etwas wie eine "österreichische Lösung" in der Luft, ohne dass diese dezidiert ausgesprochen wurde.
Anzunehmen ist, dass die kommenden Diskussionen im EU-Parlament in ebendiese Richtung - Entschärfung der beiden Hauptkritikpunkte in Paragraf 5.2 und 6 des Entwurfs - gehen werden.