31.10.2004

Ö1-TIPP

Freenet - das anonyme Internet

Der 27jährige Ire Ian Clarke ist besorgt über die leichte Kontrollierbarkeit des Internet und hat deshalb Freenet entwickelt. Die freie Software soll das Veröffentlichen und Lesen von Informationen ohne Angst vor Überwachung und Zensur möglich machen.

Freenet ist nach dem Vorbild von emergenten Systemen in der Natur aufgebaut. Wie in einem Ameisenstaat ist jedes einzelne Mitglied des Netzwerks schwach, gemeinsam können die User aber komplexe Aufgaben erfüllen.

Wie Freenet funktioniert

Der User fungiert als ein Knoten des Netzwerks und stellt Bandbreite und Platz auf der Festplatte zur Verfügung, um den Austausch von verschlüsselten Daten zu ermöglichen. Anders als bei Peer-to-Peer-Filesharing hat der User aber keinen Einfluss darauf, welche Daten bei ihm gespeichert werden. Ausserdem werden die Daten nicht permanent abgelegt, sondern wandern zwischen den einzelnen Knoten hin und her. Sie werden bei großer Nachfrage vervielfältigt und bei Desinteresse wieder gelöscht. Die Grundidee ist, dass jede Information über mehreren Knoten geleitet wird, sodass kein Zusammenhang zwischen Sender und Empfänger hergestellt werden kann.

Ist Freenet legal?

Ian Clarke vergleicht das mit der Art und Weise, wie Menschen über persönliche Kontakte zu Informationen kommen. Wenn ich etwas über den Staat Texas wissen möchte, könnte ich einen Freund in den USA fragen. Der würde jemand anderen fragen, der wieder jemand anderen und so weiter. Am Ende würde mir der Freund die gesuchte Information zukommen lassen, ich wüßte aber nicht, woher sie tatsächlich kommt. Das einzige Problem ist, dass Freenet keine Suchmaschine hat, die alle existierenden Informationen kennt. Weiß ich nicht, wie ein Dokument heißt, so kann ich es also auch nicht finden. Theoretisch wäre es möglich, eine zentrale Suchmaschine für Freenet zu entwickeln, sagt Ian Clarke. Das würde aber die Grundidee des dezentralen Netzwerks zerstören.

Freenet sei mit dem Internet vor Yahoo!, Lycos und Google vergleichbar, so der Freenet-Entwickler. Wenn man eine Information suchte und eine Website kannte, die ähnliche Inhalte anbot, konnte man dorthin gehen und auf einen Hyperlink klicken. Der brachte einen auf eine andere Seite, von der kam man wieder woandershin und so weiter. So näherte man sich der gesuchten Information. Nach dem gleichen Prinzip kann man vorgehen, um Informationen in Freenet zu finden.

Freenet wird häufig für die Veröffentlichung von politischen Inhalten genützt - vor allem in Ländern, in denen die freie Meinungsäußerung mit Strafe bedroht sein kann. Dass Freenet auch von Kinderpornohändlern, Neonazis oder Terroristen benützt werden kann, läßt sich nicht verhindern. Das Recht auf freie Meinungsäußerung sei unteilbar, so Ian Clarke. Man könne es deshalb nicht nur bestimmten Menschen zugestehen.

Mehr als die Polizei oder Regierungen hat Freenet aber vermutlich die Unterhaltungsindustrie ins Schwitzen gebracht. Da es keinen zentralen Server gibt und die User anonym sind, wird es schwierig sein, den Austausch von urheberrechtlich geschützten Musikstücken oder Videos zu verfolgen. Zu den FAQ von Freenet gehört deshalb auch die Frage: Ist Freenet legal? Die Antwort lautet: Ja, wenn du mit legal meinst, dass es nicht illegal ist. Und dann steht da noch: wir können keine Garantie dafür abgeben, dass Freenet auch in Zukunft legal sein wird.