Freenet - das anonyme Internet
Der 27jährige Ire Ian Clarke ist besorgt über die leichte Kontrollierbarkeit des Internet und hat deshalb Freenet entwickelt. Die freie Software soll das Veröffentlichen und Lesen von Informationen ohne Angst vor Überwachung und Zensur möglich machen.
Freenet ist nach dem Vorbild von emergenten Systemen in der Natur aufgebaut. Wie in einem Ameisenstaat ist jedes einzelne Mitglied des Netzwerks schwach, gemeinsam können die User aber komplexe Aufgaben erfüllen.
Freenet kann gratis von der Website des Projekts heruntergeladen werden. Mehr als zwei Millionen User haben das bereits getan. Freenet läuft aber nur unter Windows oder Unix beziehungsweise Linux und erfordert etwas bessere Computerkenntnisse.

Wie Freenet funktioniert
Der User fungiert als ein Knoten des Netzwerks und stellt Bandbreite und Platz auf der Festplatte zur Verfügung, um den Austausch von verschlüsselten Daten zu ermöglichen. Anders als bei Peer-to-Peer-Filesharing hat der User aber keinen Einfluss darauf, welche Daten bei ihm gespeichert werden. Ausserdem werden die Daten nicht permanent abgelegt, sondern wandern zwischen den einzelnen Knoten hin und her. Sie werden bei großer Nachfrage vervielfältigt und bei Desinteresse wieder gelöscht. Die Grundidee ist, dass jede Information über mehreren Knoten geleitet wird, sodass kein Zusammenhang zwischen Sender und Empfänger hergestellt werden kann.
Wenn zum Beispiel auf einem Computer eine Information liegt, die ich haben möchte, dann kommuniziert mein Computer nicht direkt mit dem anderen, sondern schickt eine Anfrage an den Computer einer dritten Person. Der schickt es weiter an einen anderen und so weiter. Die Anfrage kann über vier oder fünf Computer gehen, bevor sie dort einlangt, wo die Information liegt. Das Protokoll ist so gestaltet, dass jeder Computer nur seine beiden direkten Kontakte kennt, aber nicht das ganze Netzwerk.

Ist Freenet legal?
Ian Clarke vergleicht das mit der Art und Weise, wie Menschen über persönliche Kontakte zu Informationen kommen. Wenn ich etwas über den Staat Texas wissen möchte, könnte ich einen Freund in den USA fragen. Der würde jemand anderen fragen, der wieder jemand anderen und so weiter. Am Ende würde mir der Freund die gesuchte Information zukommen lassen, ich wüßte aber nicht, woher sie tatsächlich kommt. Das einzige Problem ist, dass Freenet keine Suchmaschine hat, die alle existierenden Informationen kennt. Weiß ich nicht, wie ein Dokument heißt, so kann ich es also auch nicht finden. Theoretisch wäre es möglich, eine zentrale Suchmaschine für Freenet zu entwickeln, sagt Ian Clarke. Das würde aber die Grundidee des dezentralen Netzwerks zerstören.
Freenet sei mit dem Internet vor Yahoo!, Lycos und Google vergleichbar, so der Freenet-Entwickler. Wenn man eine Information suchte und eine Website kannte, die ähnliche Inhalte anbot, konnte man dorthin gehen und auf einen Hyperlink klicken. Der brachte einen auf eine andere Seite, von der kam man wieder woandershin und so weiter. So näherte man sich der gesuchten Information. Nach dem gleichen Prinzip kann man vorgehen, um Informationen in Freenet zu finden.
Freenet wird häufig für die Veröffentlichung von politischen Inhalten genützt - vor allem in Ländern, in denen die freie Meinungsäußerung mit Strafe bedroht sein kann. Dass Freenet auch von Kinderpornohändlern, Neonazis oder Terroristen benützt werden kann, läßt sich nicht verhindern. Das Recht auf freie Meinungsäußerung sei unteilbar, so Ian Clarke. Man könne es deshalb nicht nur bestimmten Menschen zugestehen.
Mehr als die Polizei oder Regierungen hat Freenet aber vermutlich die Unterhaltungsindustrie ins Schwitzen gebracht. Da es keinen zentralen Server gibt und die User anonym sind, wird es schwierig sein, den Austausch von urheberrechtlich geschützten Musikstücken oder Videos zu verfolgen. Zu den FAQ von Freenet gehört deshalb auch die Frage: Ist Freenet legal? Die Antwort lautet: Ja, wenn du mit legal meinst, dass es nicht illegal ist. Und dann steht da noch: wir können keine Garantie dafür abgeben, dass Freenet auch in Zukunft legal sein wird.
Heute 22:30 im Ö1-Magazin matrix
Sonja Bettel hat mit Ian Clarke gesprochen, der für seine Idee im
Jahr 2003 vom MIT Technology Review Magazin als einer der "top 100
innovators" ausgewählt wurde.

