Microsoft spielt auf Zeit
Der weltgrößte Software-Hersteller Microsoft zeigt sich von dem gestrigen Urteil im Kartellverfahren wenig beeindruckt.
Microsoft-Chef Steve Ballmer und Firmengründer Bill Gates gaben sich in ihren Stellungnahmen gelassen bis kämpferisch. Man habe das Urteil nicht anders erwartet, außerdem stehe sowieso nichts fest, solange nicht alle Berufungsverhandlungen beendet seien.
Zahlreiche Beobachter meinen, Microsoft habe nach einer sorgfältigen Risikoabwägung die Vergleichsverhandlungen bewusst scheitern lassen und ein negatives Urteil in Kauf genommen, um in der nächsten Instanz vor einem wirtschaftsfreundlicheren Richter bessere Karten zu haben.
Das Urteil
Richter Thomas Penfield Jackson befand Microsoft für schuldig
gegen die kartellrechtlichen Bestimmungen des "Sherman-Aktes"
verstoßen zu haben. Unter anderem habe der Software-Hersteller seine
Position ausgenutzt um den Markt für Webbrowser zu monopolisieren.

Die US-Regierung hat das Urteil im Kartellprozess gegen Microsoft begrüßt. Justizministerin Janet Reno sprach von einem Sieg für die Konsumenten, denen der Software-Riese großen Schaden zugefügt habe.
Renos Stellvertreter Joel Klein erklärte, mit der Entscheidung gegen Microsoft sei die Tür zu Innovation und größerer Produktauswahl für die Verbraucher wieder offen. Über die weiteren Schritte gegen Microsoft hat die Regierung habe noch keinen Beschluss gefasst.
Thomas Penfield Jackson
hat extra für den Prozess Schnellkurse in Informatik absolviert, um auch die Feinheiten des Dossiers zu verstehen. Das hat sich bezahltgemacht: der 63-Jährige unterbrach die endlosen Einlassungen von Juristen und Zeugen immer wieder mit vielen sachkundigen Fragen. Auch wenn der weißhaarige rundliche Mann wie ein netter Großvater wirkt, führte er den Prozess durchaus streng.
Microsoft wird es in der nächsten Runde, noch unter Vorsitz Jacksons, wohl darum gehen die schlimmsten Auflagen zu abzuschwächen und sodann deren Aussetzung bis zur Entscheidung in der nächsten Instanz durchzusetzen.
Zu der Zerschlagung des Softwaregiganten wird es also, wenn überhaupt, nicht so schnell kommen.
Als nächstes stehen dem Unternehmen Klagen von Konkurrenten und Kunden ins Haus, die mit dem Urteil vom Montag unter dem Arm Wiedergutmachung fordern werden, weil sie von dem Monopolisten geschädigt worden seien. Auch diese Verfahren werden sich wohl über Jahre hinziehen.
David Boies,
der Anwalt der US-Regierung, hat sich schon in den 70er Jahren bei einem Monopolprozess hervorgetan. Damals ging es um das Computerunternehmen IBM, das er mit Erfolg verteidigte. Auch im Microsoft-Prozess zeigte der dünne Mann mit den schwarzen Basketballschuhen seinen Scharfsinn. Er nahm eine technische Präsentation von Microsoft so auseinander, dass die Grundlage der Verteidigung zusammenbrach.
Manche Beobachter bezweifeln, dass die Strategie von Microsoft wirklich klug ist. "So lange dieser Fall über Microsoft schwebt, wird er die Rolle des Unternehmens in der Branche beeinträchtigen", meint etwa David Yoffie von der Universität Harvard. "Er verringert die Fähigkeit von Microsoft, wie in der Vergangenheit die Standards zu setzen."
John Warden,
der Hauptanwalt von Microsoft, hatte trotz seiner langen Erfahrung im Kartellrecht einen schweren Stand vor Gericht. Er brachte seine Zuhörer zwar oft zum Lachen, seine Argumentation, dass Microsoft ein Opfer seiner Konkurrenten geworden sei, nahm ihm aber kaum jemand ab.
Microsoft könnte bei einem langen Prozess von den gegenwärtigen Trends der Computerindustrie profitieren. Das Unternehmen hat nach Überzeugung vieler Kenner schon heute nicht mehr die gleiche Dominanz wie zu Beginn des Kartellprozesses vor zwei Jahren.
Es gibt inzwischen erfolgreich konkurrierende Betriebssysteme zu Windows, und es gibt vor allem den generellen Trend weg von der PC- zur Internet-gestützten Informationstechnologie. Hier ist Microsoft aber einem viel schärferen Wettbewerb ausgesetzt als im Softwaremarkt für Personal Computer.
So ist durchaus schlüssig, dass Gates und Ballmer gleich nach Ankündigung der Berufung erklärt haben, dass sie gern auch wieder Vergleichsverhandlungen führen würden. Je länger der Prozess dauert, desto geringer wird die Notwendigkeit Microsoft zu zerschlagen.
Joel Klein,
der Leiter der Kartellabteilung des
US-Justizministeriums, lächelt in der Öffentlichkeit nur selten. Die Verteidigung der Rechte der Verbraucher sieht er als seine heilige Pflicht. Der 53-jährige Jurist genießt den uneingeschränkten Rückhalt seiner Chefin, Justizministerin Janet Reno.