
Auftakt zur Fußball-EM der Roboter
Österreichs Robo-Kicker treten diese Woche in Deutschland zur Europameisterschaft an. Im Gegensatz zu ihren menschlichen Pendants spielen die agilen Fußball-Bots aus Graz und Wien mit reellen Chancen in der Weltklasse mit.
Vom 17. bis zum 21. April finden im niedersächsischen Hannover die RoboCup German Open 2007 statt. Insgesamt 150 Teams aus 13 verschiedenen Ländern kämpfen in acht Ligen um den Sieg.
Der Wettkampf gilt als inoffizielle Europameisterschaft - wobei aber auch Teams aus Übersee mitspielen - und als wichtiger Test vor der nächsten RoboCup-Weltmeisterschaft, die vom 1. bis zum 10. Juli 2007 in Atlanta ausgetragen wird.
Der RoboCup
Seit 1997 spielen Teams aus aller Welt um den RoboCup, um die Leistungsfähigkeit ihrer Soft- und Hardware zu demonstrieren. Das Fußballspielen verlangt den Systemen einiges ab: Schnelle Auffassungsgabe ist ebenso gefragt wie Planung und Fähigkeit zum Teamplay.
Parallel zu den Weltmeisterschaften finden wissenschaftliche Konferenzen statt, in denen Experten über ihre Forschungsergebnisse in Sachen Robotik und Künstliche Intelligenz debattieren.
Robo-Metropole Graz
Gerald Steinbauer von der TU Graz ist stolz darauf, dass seine Hochschule vier der fünf österreichischen Teams in den Wettbewerb schickt. "Wir haben auch zwei ganz neue Teams dabei", freut sich der RoboCup-Koordinator für Österreich.
Außer den traditionsreichen Kickern von Steinbauers Team Mostly Harmless, die in der Königsklasse der autonomen Roboter, der Middle-Size League, antreten, spielt in der 2-D-Simulationsliga die Gruppe KickOffTUG mit. Immerhin zwei RoboCup-Disziplinen finden vollständig im Rechner auf zwei- beziehungsweise dreidimensionalen Spielfeldern statt. Hier kämpfen nur Programme gegeneinander. Aber beim RoboCup gibt es nicht nur Wettbewerbe, die mit Fußball zu tun haben, auch an anderen anspruchsvollen Aufgaben sollen sich die Maschinen messen.
Retten und aufräumen
Die von der TU Graz betreute Juniorenmannschaft rescue4school nimmt am Rettungswettbewerb teil, bei dem die Roboter papierene Personenattrappen aus einem vordefinierten Szenario bergen müssen. "Wir sind erst noch dabei, die Juniorenteams aufzubauen", sagt Steinbauer. "Wir freuen uns sehr darüber, dass es dem Schülerteam gelungen ist, sich zu qualifizieren."
Ganz neu beim RoboCup ist die Disziplin "RoboCup @ home", bei der sich ein Service-Bot in einem Haushaltsszenario nützlich machen muss. "Hier rechnen wir uns gute Chancen aus", sagt Steinbauer. Der von Petra Korica-Pehserl und Joachim Pehserl gebaute Friendly Learning Electronic Assistant [FLEA] verfügt über Spracherkennung und einen humanoiden Kopf und soll sich möglichst natürlich in den Haushalt seiner menschlichen Herrschaften integrieren.
Mostly Harmless: Autonome Kicker-Bots aus Graz
Websites der Grazer RoboCup-Teams
Das Team Mostly Harmless funktioniert "fast wie eine kleine Firma", sagt Steinbauer. Je nach Aufgabe arbeiteten bis zu 15 Experten aus den verschiedensten Fachgebieten der TU Graz mit. Die transdisziplinäre Organisation sei eine der Stärken des Grazer Teams.
Würfelförmige Champs
Aussichtsreichste österreichische Hoffnung auf einen der vorderen Plätze bei den diesjährigen German Open ist allerdings das Team Vienna Cubes, das schon seit 2003 an den Wettbewerben in der Small Size League teilnimmt.
"Wir sind unter den acht besten Teams der Welt", sagt Robo-Coach Alexander Hofmann von der Fachhochschule Technikum Wien. Bei der letzten Weltmeisterschaft 2006 in Bremen erreichten die Cubes Platz fünf.
Ferngesteuert wie von der "Hand Gottes"
Im Gegensatz zu den schweren autonomen Bots von Mostly Harmless, die Sensoren, Rechner und Energieversorgung mit an Bord haben müssen, spielen die Cubes in einer Klasse, in der jeweils fünf kleine funkferngesteuerte Roboter gegeneinander antreten und einen kleinen orangefarbenen Ball ins Ziel bringen müssen. "An der Decke hängt in vier Metern Höhe eine Kamera, die die Position unserer Roboter anhand von farbigen Markierungen an deren Oberfläche erkennt und an einen Computer rückmeldet, der die einzelnen Maschinen dann über Funk fernsteuert", sagt Hofmann, seit fünf Jahren Coach der Vienna Cubes.
Die hohe Spielstärke der wieselflinken Wiener Bots, die lediglich einen Durchmesser von 18 cm und eine Höhe von 15 cm aufweisen, führt Hofmann auf das ausgewogene Design des Gesamtsystems zurück: "Wir haben einfach sehr stabile Geräte und achten darauf, dass die einzelnen Komponenten ein gewisses Qualitätsniveau halten."
Am 30. Mai findet am Technikum Wien der 2nd Austrian Robocup Workshop statt. Führende Wissenschaftler aus den Bereichen KI und Robotik stellen dort Forschungsergebnisse und Geräte vor.
Beinarbeit und Strategie
Sowohl Hofmann als auch Steinbauer betonen, dass die Teilnahme am RoboCup viel für Forschung und Lehre bringe. In Graz und Wien lernen die Teammitglieder, fächerübergreifend Projekte erfolgreich auf den Weg zu bringen. "Wir stellen zurzeit gemeinsam mit Partnern in Rumänien ein Team namens NP Solvers auf, das in der 3-D-Liga antreten soll", sagt Hofmann. "Die Studenten lernen dabei Projektmanagement und internationale Zusammenarbeit."
Abgesehen von der schieren Robo-Beinarbeit ist das ernste Spiel für seine Gestalter auch ein intellektuelles Vergnügen. "Der RoboCup ist der legitime Nachfolger des Wettbewerbs zwischen Mensch und Maschine auf dem Schachbrett", sagt Hofmann. Diesen Wettstreit hat Garri Kasparow 1997 in der Auseinandersetzung mit Deep Blue verloren. Bis 2050 soll ein robotisches Team gegen den menschlichen Fußballweltmeister antreten. Auf den Einwand, dass Roboter heutzutage noch nicht einmal vernünftig auf zwei Beinen laufen könnten, entgegnet Hofmann trocken: "Wer sagt, dass die Roboter 2050 auf zwei Beinen laufen werden?"
Die Vienna Cubes machen ihr Spiel.
==Starke Teams aus dem Iran==
Dieser Zusammenhang aus Fußball und Schach scheint ganz besonders Teilnehmer aus jenem Land anzuregen, in dem das Spiel der Könige erfunden wurde. Immerhin elf Teams aus dem Iran haben sich quer durch die RoboCup-Disziplinen für Hannover qualifiziert.
"Für Iraner ist es schwer, Visa für die USA zu bekommen, wo die nächste Weltmeisterschaft stattfinden wird", sagt Hofmann. "Es ist für iranische Wissenschaftler eine Chance, aus der Isolation zu kommen und internationale Kontakte zu pflegen", sagt Steinbauer. "Die Iraner tun viel für ihre Wissenschaftler und Studenten."
Die österreichischen Teams suchen unterdessen stets nach Sponsoren für Material und Reisen. Vorsorge ist in der Fußballbranche wichtig. Vielleicht haben bis 2050 auch die Ablösesummen für Robo-Kicker Champions-League-Niveau erreicht.
(futurezone | Günter Hack)