"Gerechtigkeit für Morrissey"
In Großbritannien können seit Anfang dieses Jahres auch Songs Nummer eins in den Charts werden, die nur als Download angeboten werden. Die Neuregelung ruft Fans auf den Plan, die mit ihren Download-Aktivitäten historische Ungerechtigkeiten ausbügeln wollen.
Mittels Kaufabstimmung in Online-Musik-Shops wollen sie jetzt die UK-Charts zu Gunsten halb vergessener Titel von Morrissey, Oasis & Co. umschreiben.
Bisher wurden die Downloads einer Single nur dann mitgezählt, wenn es den Song auch als physischen Tonträger zu kaufen gab. Und auch das nur eine Woche bevor die physische Single in den Geschäften erhältlich war. Der erste Song, der nur über Downloads Nummer eins wurde, war "Crazy" von Gnarls Barkley [2006].
Wenig radiotauglich
Die Online-Initiative "Download Morrissey into the UK Singles Charts" will diese Woche etwa den wenig radiotauglichen Song "Life Is A Pigsty" des britischen Altmeisters Morrissey an die Spitze der britischen Hitparade hieven.
Kaufabstimmung in Online-Musik-Shops
Die Pläne der Anhänger des ehemaligen The-Smiths-Frontmannes könnten jedoch von den Mitgliedern der Online-Community "It Should Have Been Number 1" durchkreuzt werden.
Sie wollen, dass am kommenden Sonntag die 1995 erschienene Oasis-Single "Roll With It" die britschen Top 40 anführt. Das hätte der Song nach Meinung der Website-Betreiber bereits vor zwölf Jahren verdient. Damals erwies sich jedoch die Blur-Single "Country House" als zugkräftiger.
Gegen die Bezahlung von 79 Pence für einen Download des Songs in einem Online-Musik-Shop ihrer Wahl können die Fans nun aktiv dabei mitwirken, dass die historische Schmach der Radaubrüder aus Manchester wieder ausgebügelt wird.
Künftig sollen Besucher der Site jede Woche Gelegenheit haben, einen ihrer Meinung nach zu Unrecht ins Hintertreffen geratenen Titel gemeinsam zu Hitparaden-Ehren kommen zu lassen.
Auch Beatles bald im Netz
Auch die Beatles, die sich bisher dem Verkauf ihrer Songs in Online-Musik-Shops verweigert hatten, könnten schon bald von der Neuregelung der britischen Hitparade profitieren.
Nach Angaben von Neil Aspinall, dem Chef des Beatles-Labels Apple Crops Ltd., sollen die Titel der "Fab Four" schon in den nächsten Wochen erstmals auch in Online-Musik-Shops erhätlich sein.
Einen Exklusivvertrag mit dem Apple iTunes Music Store soll es bei der digitalen Veröffentlichung der Beatles-Klassiker jedoch nicht geben, sagte Aspinall dem US-TV-Sender Fox.
"Fab Four"-Dominanz erwartet
"Wir können nicht ausschließen, dass sich dann die Top Ten gänzlich aus Beatles-Songs zusammensetzen werden", sagte Steve Redmond von der Official British Charts Company gegenüber der BBC.
Auch Newcomer punkten
Die Neuregelung der UK-Charts hat heuer auch schon einer Band ohne Plattenvertrag zu einer Charts-Notierung verholfen. Mitte Jänner schaffte das Punk-Trio Koppa ausschließlich mit Downloads eine Charts-Notierung.
"The Long Tail"
Weil es durch die Verfügbarkeit von Musik in Online-Musik-Shops keine Lager- oder Regalbeschränkungen mehr gebe, könnten Musikkäufer heute jede Woche aus Millionen von Titeln wählen, meinte Redmond, und das schlage sich natürlich auch in den Charts nieder: "In Zeiten des physischen Tonträgers waren hingegen selbst in den größten Läden kaum mehr als 100 verschiedene Singles verfügbar."
In seinem im vergangenen Jahr veröffentlichten Buch "The Long Tail" skizziert Wired-Chefredakteur Chris Anderson die Folgen der unbegrenzten Verfügbarkeit für die Unterhaltungsindustrie: Der Massenmarkt habe ausgedient, die Zukunt der Branche liege in Millionen von Nischenmärkten.
Downloads überwiegen in den Charts
Nachdem heute schon wenige Tausend verkaufte Titel für eine Notierung in den UK-Charts reichen, könnten die Pop-Download-Aktivisten heuer noch mit einigen freudigen Überraschungen rechnen.
Das Rennen um die vorderen Plätze der Singles-Charts wird in Großbritannien ohnehin bereits seit längerem im Internet entschieden. Nach Angaben des Verbands der britischen Musikindustrie [BPI] waren im vergangenen Jahr rund 80 Prozent aller verkauften Singles Downloads.
Musik-Downloads haben der Musikindustrie 2006 weltweit rund zwei Milliarden Dollar eingebracht - die sinkenden CD-Verkäufe konnten durch die Zuwächse bei den digitalen Verkäufen aber nicht wettgemacht werden.