© Günter Hack/ORF.at, Passagiere verlassen Flugzeug

Kein Datenschutz beim Heimatschutz

FLUGPASSAGIERDATEN
10.01.2009

"Erwarten Sie keinen Datenschutz, wenn Sie dieses Computersystem benutzen", heißt es auf der Website des US-Ministeriums für Heimatschutz. Ab Montag müssen auch Österreicher, die in die USA reisen, ihre Daten 72 Stunden vor Abflug in eine Online-Datenbank des Ministeriums eintragen.

Das Electronic System for Travel Authorization (ESTA) soll jene Formulare ersetzen, die bis jetzt an Bord des Flugzeugs ausgefüllt werden mussten. Mit Stichtag 12. Jänner sei gemeint, dass die Regelung mit Montag in Kraft trete, jedoch nicht rückwirkend gelte, hieß es seitens der US-Botschaft in Wien auf eine Anfrage von ORF.at am Freitag.

72 Stunden

Was aber ist, wenn jemand in einer dringenden Angelegenheit ad hoc in die USA reisen muss? Die 72 Stunden seien die empfohlene Frist, sagte die zuständige Beamtin der Botschaft, Karin Czerny, zu ORF.at. Das Gros der Reisenden buche in der Regel ohnehin deutlich früher als drei Tage vor Abflug.

Wer binnen eines kürzeren Zeitraums buchen und fliegen müsse, könne das in der Regel auch tun, da es ohnehin äußerst selten zu Problemen komme. Wer das Online-Formular allzu knapp vor dem Abflug ausfülle, riskiere freilich, eventuell nicht mitzukommen, so die Auskunft aus der US-Botschaft.

Was angekreuzt werden muss

Das Online-Formular in allen EU-Sprachen richtet sich an Angehörige von "Visa-Waiver"-Staaten, die von der Visumspflicht ausgenommen sind. Von Namen und Daten des Reisenden einmal abgesehen, sind auch allerhand andere Eintragungen in Form von Ankreuzen nötig, deren Sinn weniger ersichtlich ist.

So wird zum Beispiel von den einreisenden Europäern eine Bestätigung dafür erwartet, dass sie noch niemals einer kriminellen Organisation angehört haben, noch nie in ihrem Leben Drogen genommen haben und Ähnliches. Das stand schon bisher auf den Formularen, die im Flugzeug ausgegeben wurden.

Vor Abgang Einigung

Kurz vor dem Abgang der Regierung George W. Bushs einigten sich die französische EU-Ratspräsidentschaft und das US-Heimatschutzministerium auf neue gemeinsame Richtlinien für den Austausch von Flugpassagierdaten (PNR).

Geschützt werden aber weniger die Rechte der Bürger als vielmehr jene der Beiträger aus Industrie und Drittstaaten.

Die EU-Pläne für die Speicherung von Fluggastdaten zur Fahndung nach mutmaßlichen Terroristen werden auf deutschen Druck vorerst nicht verwirklicht.

"Erwarten Sie keinen Datenschutz"

Neu in der Applikation auf der Website des Ministeriums für Heimatschutz ist ein umfangreicher "Disclaimer", dem der Reisende zustimmen muss. Der Inhalt der Erklärung ist allerdings wenig dazu angetan, etwaige Datenschutzbedenken der Europäer zu zerstreuen:

"Sie sind dabei, auf einen Computer des Ministeriums für Heimatschutz zuzugreifen", heißt es einleitend: "Erwarten Sie keinen Datenschutz (privacy), wenn Sie dieses Computersystem benutzen. Auch der Gebrauch eines Passworts oder eines anderen Sicherheitsmechanismus berechtigt Sie nicht, Datenschutz zu erwarten."

Für europäische Verhältnisse, wo alle amtlichen Websites auf die unbedingte Beachtung der Datenschutzgesetze durch die betreffende Behörde hinweisen, liest sich das schon ungewohnt.

"Nationale Sicherheit"

Ein paar Zeilen nach der Absage an alle Datenschutzerwartungen heißt es: "Sie dürfen keine geheimen (classified) Informationen, die die nationale Sicherheit betreffen, auf diesem Computersystem verarbeiten."

Dabei wird das System ohnehin von mehreren Stellen überwacht: "Dieses Computersystem ... wird für administrative Belange, zum Zweck der Strafverfolgung, für kriminalpolizeiliche Ermittlungen, zur Überprüfung von mutmaßlichen Verfehlungen und Missbrauch und um Performance sowie die Systemsicherheit zu überprüfen, überwacht. Das Ministerium kann ohne weitere Vorwarnung jederzeit mit der Überwachung beginnen."

Die Policy der Website

Die ESTA-Website macht (zumindest auf den ersten Blick) einen durchaus sicheren Eindruck, die Online-Policy aber unterscheidet sich von der sonstigen Datensammelpraxis des Heimatschutzministeriums doch deutlich.

Es werden nämlich nur "Session-Cookies" gesetzt, die nach Besuch der Website ungültig werden.

Die Datenschutzerklärung

Trotz allem verfügt die Website über eine Datenschutzerklärung. Das US-Datenschutzgesetz (Privacy Act of 1974, 5 U.S.C. 552a) schütze die persönliche Information von US-Staatsbürgern und Ausländern mit permanentem Wohnsitz in den USA. Das Ministerium für Heimatschutz beziehe in diese Maßnahmen, die auch das Recht auf Einsicht in die Daten durch Betroffene einschließen, auch Ausländer ein, wenn es um Systeme gehe, die sowohl Daten von US-Staatsbürgern wie von Ausländern verarbeiten.

Aber: Der "Privacy Act" betrifft nicht alle Informationen, die online gesammelt werden.

Schlussfolgerungen

Daraus geht also ziemlich klar hervor, dass die personenbezogenen Daten der EU-Einreisenden zusammen mit Daten von US-Staatsbürgern verarbeitet werden. Da die Behörden sie getrennt erheben - das Web-Formular betrifft nur Ausländer -, müssen sie aber irgendwo zusammengeführt werden.

Logisch wäre jedenfalls, dass die eingegebenen Daten mit den verschiedenen schwarzen Listen zur Terrorbekämpfung ("No Fly List", "Selectees") abgeglichen werden.

Was das Verbot betrifft, Geheiminformationen zur nationalen Sicherheit der USA über das Online-Anmeldesystems zu verarbeiten, so mutet dieses seltsam an, zumal einreisende Europäer wohl in den seltensten Fällen über derlei Informationen verfügen.

Aus diesem Grund hat ORF.at über die US-Botschaft in Wien beim Ministerium für Heimatschutz um Beantwortung der offenen Punkte angefragt.

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(futurezone/Erich Moechel)