US-Wahlkampf als Reality-TV im Netz
Mitmachmedien wie die Online-Videoplattform YouTube und die Online-Enzyklopädie Wikipedia gewinnen im US-Wahlkampf an Bedeutung. Sie werden von den US-Parteien vor allem zur Verunglimpfung der Konkurrenten genutzt.
Den Ausdruck "Makake" wird Senator George Allen so bald wohl nicht mehr verwenden. Als er im August auf einer Wahlveranstaltung im US-Bundesstaat Virginia einen indischstämmigen Studenten mit dem in den USA als rassistische Verunglimpfung für Asiaten gebräuchlichen Wort bedachte, war der Ausrutscher des US-Politikers bald landesweit bekannt.
Ein Video des verbalen Fehltritts fand sich nämlich unmittelbar nach der Veranstaltung auf der Online-Videoplattform YouTube.
Prügelszenen
Vor kurzem hatte Allen erneut Erklärungsbedarf. Anfang dieser Woche drückten seine Wahlhelfer einen Mann zu Boden, der den Senator mit unangenehmen Fragen konfrontiert hatte. Auch dieser Zwischenfall wurde auf einem Video dokumentiert, das ebenso seinen Weg ins Netz fand.
Wiederwahl fraglich
Vor den Vorfällen galt Allen als aussichtsreicher Kandidat für die Nachfolge von George W. Bush. Seine Chancen auf höhere politische Weihen haben sich mittlerweile drastisch verringert.
Auch seine Wiederwahl für den US-Senat bei der am 7. November stattfindenden Wahl ist nach Angaben von US-Medien nicht mehr sicher.
Jagd auf Fehltritte
Allen ist kein Einzelfall. Hobbyfilmer machen im Auftrag der Parteizentralen regelrecht Jagd auf die Fehltritte von US-Politikern. Die Kandidaten befinden sich unter permanenter Beobachtung. Der Wahlkampf werde so zum Reality-TV, geben sich Kommentatoren besorgt.
"YouTube-Wahlkampf"
US-Medien sprechen mittlerweile bereits von der "ersten YouTube-Wahl". In einer Analyse des öffentlich-rechtlichen National Public Radio hieß es, dass Plattformen wie YouTube mittlerweile Wahlausgänge beeinflussen könnten.
"Google-Bombing" als Wahlkampfhilfe
Auch die Suchmaschine Google wird für politische Zwecke im US-Wahlkampf benutzt. Demokratische Blogger machen sich das "Google-Bombing" zunutze, um kritische Medienberichte über konservative Kandidaten an die Spitze der Suchergebnisse zu bringen.
Dazu werden die Namen der Kandidaten mit den entsprechenden Berichten verlinkt. Da Google die Relevanz von Websites auch an Hand der darauf verweisenden Links bemisst, rücken die Artikel in den Suchergebnissen zu den betreffenden Personen nach oben.
Auch US-Präsident Bush wurde bereits Ziel der seit Jahren geläufigen Methode. Sucht man bei Google nach "Miserable Failure" ["Erbärmlicher Versager"], führt der zuerst gelistete Eintrag auf die Seiten des Weißen Hauses.
Manipulierte Wikipedia-Einträge
Selbst die Online-Enzyklopädie Wikipedia bleibt vom zunehmend schmutziger werdenden US-Wahlkampf nicht verschont.
Einträge von Kandidaten für den US-Senat und -Kongress werden immer wieder von politischen Gegnern manipuliert. Ein Wahlkampfmanager aus dem US-Bundesstaat Georgia musste vor kurzem zurücktreten, weil er dabei ertappt wurde, wie er den biografischen Eintrag eines politischen Gegners um die Alkoholeskapaden von dessen Sohn erweiterte.
"Flacharsch, Nebraska"
Es geht jedoch noch tiefer. Im heiß umkämpften Bundesstaat New Jersey liefern sich die Senatskandidaten Bob Menendez und Tom Kean jr. seit Wochen eine regelrechte Schlammschlacht in der Wikipedia.
Die Einträge der Kandidaten befinden sich in permanenter Überarbeitung. Vorläufiger Höhepunkt des Wikipedia-Schlagabtausches war ein Satz, der sich kurze Zeit im Lebenslauf von Kean fand. Dort hieß es: "Er lebt in Flacharsch, Nebraska, mit seinem Ehemann Joe."
"Wikitrickery"
Das Wochenmagazin "New Yorker" prägte im Zusammenhang mit den Negativkampagnen im Internet-Lexikon bereits das Wort "Wikitrickery". In der Wikipedia selbst findet sich allerdings noch kein Eintrag dazu.
(futurezone | dpa)