Alexander vs. Wikipedia

07.09.2006

Am 11. September startet die TU Graz einen Feldversuch mit ihrem neuen System Alexander. Die Forscher wollen mit diesem System lexikalische mit journalistischen Quellen und User-Beiträgen verknüpfen und einen neuen Typ von Informationsportal schaffen.

Vorerst soll der Testbetrieb von Alexander nur Abonnenten der Tageszeitung "Die Presse" zugänglich sein. Der "Presse"-Mutterkonzern Styria sponsert seit Jänner 2005 an der TU Graz eine Professur für "zukunftsweisende Medien".

Aktuelle Artikel aus der Tageszeitung bilden zusammen mit den Lexikondaten von Co-Sponsor Brockhaus die professionelle Grundlage für die Grazer Online-"Wissensgemeinschaft".

Futurezone.ORF.at sprach mit Hermann Maurer vom Institut für Informationssysteme und Computer Medien [IICM], unter dessen Ägide Alexander entstand.

Futurezone: Seit wann arbeiten Sie an Alexander?

Maurer: Seit Anfang 2005 sind drei Mitarbeiter gezielt mit diesem Projekt beschäftigt, im Umfeld noch einige mehr.

Welche Rolle soll das Projekt in der Web-Informations-Ökosphäre zwischen Nachrichtensites, Profi-Datenbanken und Wikipedia spielen?

Das Spannende an dem Projekt sind wohl drei Dinge: die Kombination von lexikalischen mit aktuellen Daten; die Möglichkeit, dass man selbst Beiträge schreiben und kommentieren kann, die dann auch auf Richtigkeit geprüft werden; sowie schließlich die Möglichkeit, dass man beliebige Fragen stellen kann, also ein Art Answer-Brokering eingebaut ist. Um solche Fragen beantworten zu können, haben wir zwei Hilfssysteme entwickelt, die von uns eingesetzt werden, für den Benutzer aber unsichtbar sind.

Man kann Alexander als ein Lexikon mit einer hochaktuellen Komponente sehen. Wenn ich mich über Kanada informieren will, möchte ich vielleicht auch wissen, was dort gerade los ist, etwa die Stampede in Calgary oder ein Streik der Busfahrer. Umgekehrt gilt das auch: Wenn ich etwas Aktuelles lese, kann ich solide Hintergrundinformationen dazu erhalten.

Das Basismaterial kommt aus professionellen Redaktionen, ist also von der Qualität sehr gut. Die Benutzerbeiträge werden auf Plausibilität geprüft, wobei im Pilotversuch das anders gehandhabt wird als bei einem etwaigen Roll-out.

Wer soll Alexander nutzen?

Wenn es ein Roll-out geben sollte, dann wird Alexander ein weiteres Informations- und Wissensportal mit Open Access für die breite Öffentlichkeit sein, also ein Portal, wie das heute Google oder Wikipedia oder Mediensites wie die des ORF oder verschiedener Zeitungen sind und wie es die "Digital Library Europe" werden soll.

Soll Alexander nach der Testphase kostenlos öffentlich zugänglich werden?

Gegenwärtig handelt es sich um einen Pilotversuch, der für zunächst vier Monate ausgelegt ist. Es geht dabei darum, das Benutzerverhalten zu erforschen, festzustellen, welche Funktionalität noch fehlt oder geändert werden muss, wie bei der Suche Teffer gerankt und angezeigt werden sollen.

Ob und in welcher Form das Projekt weitergeführt wird, hängt von den Ergebnissen des Versuchs ab. Sicher ist, dass noch viel mehr Datenmaterial und einige Funktionalitäten dazukommen würden, wenn es einen Roll-out geben sollte. Und wenn es dazu kommt, wird es ein kostenloser Dienst sein.

Welche Rolle spielt der Hauptsponsor Styria in dem Projekt? Soll die Datenbank nach der Pilotphase in die Websites z. B. der "Presse" integriert werden?

Die "Presse" und der Brockhaus-Verlag stellen für den Pilotversuch Daten zur Verfügung. Sie sind "Beobachter" dieses Versuches, in dem es darum geht zu prüfen, ob das Konzept erfolgreich sein kann und welche Modifikationen notwendig wären.

Endergebnis wird eine Publikation des Instituts sein, die auf Stärken, Schwächen und Möglichkeiten eingehen wird. Es ist nicht daran gedacht, die Datenbank in die Website der "Presse" zu integrieren, dazu würde die Datenbank bei einem Roll-out zu international und die "Presse" nur einer der Mitspieler sein.

Wie viel hat Alexander gekostet?

Das Projekt stützt sich auf langjährige Forschungs- und Entwicklungsarbeit. Die Höhe des finanziellen Engagements hängt ganz davon ab, wie viel von den Vorleistungen man dazurechnet. Das Intervall reicht da von einer viertel bis zwei Millionen Euro.

Welche Schlüsseltechnologien kommen in Alexander zum Einsatz?

Das System baut auf Hyperwave auf, dem modernsten Wissensmanagementsystem, das es gibt. Es verfügt über Module, die der Benutzer nicht sieht, welche beispielsweise die Beantwortung von Fragen automatisieren. Wir nennen das "aktive Dokumente".